„Alles Spinner oder was?“ von Sarah Pohl / Isabella Dichtel:
Ist zwar Unfug, aber ich mag Dich trotzdem: Therapeutinnen raten um des lieben Friedens Willen zum wertschätzenden Umgang mit „Verschwörungstheoretikern“.
Von Christian Knatz
Im Besitz der Wahrheit dünken sich Anhänger von Verschwörungsmythen. Kann man mit solchen Leuten reden? Wie soll das gehen? Ein therapeutisches Buch könnte helfen.
(Archivfoto: Guido Schiek)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Ein alter Soziologenwitz hilft beim Verständnis für ein neues Buch: Zwei Soziologen treffen sich. „Kannst Du mir sagen, wo es zum Bahnhof geht?“ „Nein, aber ich find‘s toll, dass wir so offen drüber reden.“ Nächster Tag: „Hast Du den Bahnhof gefunden?“ „Nee, Du, aber ich kann damit schon viel besser umgehen.“
Bringt nichts, nur Gelaber, sagen Skeptiker dazu – aber auch zum Austausch mit Anhängern sogenannter Verschwörungstheorien. Doch, doch, beharren die Verfasserinnen (allesamt Therapeutinnen) eines Ratgebers für einen gelassenen Umgang mit „Verschwörungsgläubigen“. Mit dem Sammelbegriff „Verschwörungstheorie“ tun sie sich selbst schwer, leiten sauber ab, warum er nichts taugt, ringen sich dann aber doch zur „augenzwinkernden Verwendung“ durch und lassen für einen Lesemoment ihre Meinung durchblicken: wenn sie über „diese eigenartigen Theorien“ schreiben.
Um die quergedachten Inhalte von allgewaltigen Pharmafirmen über Reptiloiden bis zur Pizza mit Kinderblut geht es aber in diesem als therapeutische Handreichung konzipierten Buch nur am Rande. Zwar werden Hintergründe und Sorten dieser „Sinnangebote für säkulare Menschen“ vorgestellt. Doch im Kern ist das Bändchen ein Aufruf zur Toleranz auf allen Seiten, gelegentlich auch eine Anleitung zum Appeasement mit Ausgetickten.
DAS BUCH
Sarah Pohl / Isabella Dichtel:
Alles Spinner oder was? Wie Sie mit Verschwörungsgläubigen gelassener umgehen.
Die schlauesten Sinnsprüche haben die Autorinnen von den Römern übernommen, die schon wussten, dass man beide Seiten hören sowie hart in der Sache, aber verbindlich im Ton bleiben muss. Diese Weisheit wird, gestützt auf erlebte Therapiegespräche, kombiniert mit praktischen Tipps zum Konfliktmanagement im engeren Umfeld.
Zuweilen fügen sich die vorgegebenen Antwort-Sätze zum unfreiwilligen Soziologenwitz: „Ich brauch‘ gerade eine Pause von diesen Themen. Ich habe das Gefühl, dass wir da miteinander in eine Sackgasse geraten sind.“ Der Ratschlag scheint aber ernst gemeint zu sein, den Verschwörungstheoretikern „mit weißer Flagge“ entgegenzutreten und ihnen allenfalls mit den „richtigen Fragen“ zuzusetzen (die doch ein echter Querdenker immer nur sich selbst zuordnet).
Nun ist der Appell, auch mit Spinnern verschiedener Härtegrade um der Beziehung willen wertschätzend zu reden, fraglos eine gute Sache, zumal Grenzen der Toleranz benannt werden. Es hilft zudem, eigene Haltungen zu prüfen, nicht jeden Einwand als „Schwurbelei“ abzutun und beim anderen zu erkennen, ob der sich überhaupt in einer Phase der Zugänglichkeit befindet. Im Ganzen freilich fordert das mit praktischen Übungen angereicherte Buch geradezu übermenschliche Kräfte, sich zurückzunehmen und zugewandt zu bleiben selbst bei Geistesabwesenheit des Gesprächspartners.
Immerhin eine der Übungen würzt mit Verschwörungstheorien zum Selbstbasteln die kommunikationssoziologische Verständnissuppe kräftig nach. Und zum Schluss gibt es gar eine gepfefferte Selbstkritik daran, dass sich dieser Ratgeber auf die emotionale Seite des Umgangs miteinander beschränkt: „Fakten sind daher oft zweitrangig, aber nicht völlig unter den Tisch zu kehren, wie eventuell hier bisweilen der Eindruck vermittelt wurde.“