Die Darmstädter Galerie Netuschil präsentiert einen Mix von Bildern und Plastiken aus vielen Jahrzehnten.
(Foto: Andreas Kelm)
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DARMSTADT - 42 Jahre Galerist in Darmstadt – und kein bisschen müde, wie es scheint. Denn Claus K. Netuschil kann beim Besuch in der Ausstellung noch immer schwärmen für das, was er derzeit in einer „Bestandsaufnahme“ genannten Acchrochage zusammengestellt hat. In dichter Petersburger Hängung füllen vor allem Grafiken sowie einige Gemälde und Fotoserien aus bald 150 Jahren die Wände; dazu hat er Plastiken, meist der Nachkriegsjahrzehnte, über den Raum verteilt, mal chronologisch passend zu den Bildern dahinter, mal zu eigenständigen thematischen Gruppen zusammengeführt, die über Jahrzehnte hinwegreichen.
150 Arbeiten aus der „Schatzkammer“
„Aus der Schatzkammer“, schreibt Netuschil dazu auf der Einladung, und tatsächlich lassen sich an den immerhin 150 (!) Arbeiten dieser Schau die klaren Leitfäden einer Kunstleidenschaft und Sammlerlust ablesen: Diese Galerie steht für Nachkriegs-Abstraktion in Malerei wie Plastik, aber auch für den eleganten gegenständlichen Strich dieser Jahrzehnte – und sie steht vor allem auch für die Darmstädter Kunst aller Richtungen seit dem 19. Jahrhundert. Umso besser, dass die jetzt gezeigte Zusammenstellung mit ihrer Konzentration auf Grafiken und Kleinplastiken sicher auch auf Weihnachtskäufer zielt: Hier sind Kleinodien zu (jedenfalls für Kunstliebhaber) meist gemäßigten Preisen zu erhalten.
Netuschil hat gruppiert. So ist Gerd Winters großes Gemälde „T. Riley“ gleich neben dem Eingang in seiner exzellent widersprüchlichen Mischung aus Himmelsfarben, die über eine ganz andere Farbskala gelegt wurden, und verwischten Zeichen sowie Anklängen an geometrisierende Kunstrichtungen im Umfeld dieser Schau ein beständiger Jetztzeit-Wert. Als kräftiger Auftakt kann dieses Bild der folgenden Gruppe informeller Grafiken gleichgewichtig Paroli bieten. Von Emil Schumacher bis Hann Trier und Hans Hartung reicht hier die deutsche Nachkriegsmoderne der sechziger und siebziger Jahre, direkt gefolgt von den nur wenig jüngeren Adepten und Neuformulierern dieser freien Malerei wie Walter Stöhrer oder Henning Kürschner und in den Raum hinein ergänzt von einer Stele Christa von Schnitzlers – auch sie eine Meisterin dieser hoch emotionalen Abstraktion.
UNTERM HAMMER
Die Galerie Netuschil lädt für Freitag, 7. Dezember, um 19 Uhr zu einer kleinen Kunstauktion ein. 60 Grafiken und Kleinplastiken sollen zugunsten guter Zwecke versteigert werden. Das Angebot ist in einem Prospekt einzusehen. (aka)
Doch lebt diese Schau vor allem von ihren gezielten Brüchen. An der Wand geht es einerseits vom Informel zurück zu Jugendstil, spätem Historismus, dann Expressionismus, die oft von Darmstädter Künstlern wie Ludwig von Hoffmann, Karl Thylmann oder Ludwig Meidner stammt. Fällt der Blick dagegen in die andere Richtung landet er in der Gegenwart, bei Interieurs beispielsweise von Klaus Fußmann oder Jan Thorbecke oder aber bei dem großformatigen, plakativ stimmungsfarbigen „Schwarzwald“-Gemälde von Ralph Gelbert. Geht der Besucher dann freilich die Treppe hinauf, ist er wieder bei den naturalistischen Anfängen der Darmstädter Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts mit Bildern von Heinrich Reinhard Kröh, Heinrich Zernin oder Paul Weber.
Claus Netuschil ist ein Liebhaber der Plastik seit den sechziger Jahren – und auch hier ein Fechter für die heimischen Künstler. Mehrere Gruppen von Plastiken leiten hier im Inneren des Galerieraums und vor dem großen Fenster zur Straße hin durch die Jahrzehnte und Stilrichtungen. Denn die „Auffliegenden Kraniche“ eines Gotthelf Schlotter erhalten genauso Raum wie die Stiere eines Thomas Duttenhoefer, Anne Harings in sich gekehrtes „Figurenmodell“ oder Matthias Wills „Spirale/Halbkreis“. Besonders reizvoll ist hier die Gruppe dreier kleiner Nackten. Elegant setzt Hermann Geibel im Nachkriegsjahr 1919 seine „Tänzerin“ in Pose, während Wilhelm Loth 1952 nur noch der Torso blieb, da seine Künstlergeneration mit ihren Kriegserfahrungen bleibend am Ringen war. Ariel Auslender wiederum übersetzt ganz zeitgemäß Lebenslust in den Schwung eines athletischen weiblichen Körpers.