Das „Neue Frankfurt“ im Deutschen Architekturmuseum
Anlässlich des diesjährigen Bauhaus-Jubiläums widmet sich eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt der Moderne am Main unter dem Architekten Ernst May.
Von Lale Artun
Die Siedlung Römerstadt entstand 1927/28 als Teil des „Neuen Frankfurt“. Das Foto stammt aus dieser Zeit.
(Foto: Hermann Collischonn)
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FRANKFURT - „Während wir, seine Kollegen, im wesentlichen an den neuen Theorien und nur auf dem Papier arbeiten konnten, verstand es May, die Macht der öffentlichen Stellung mit großem Mut für die Verwirklichung der neuen Ideen zu nutzen.“ Mit diesen wohlwollenden Worten würdigte Anfang der sechziger Jahre Walter Gropius, Gründer der Dessauer Bauhaus-Schule und zentrale Figur der architektonischen Moderne, das Wirken seines Frankfurter Architektenkollegen Ernst May (1886–1970). Denn May war ein Vertreter der sogenannten „Neuen Sachlichkeit“, der tatsächlich baute. Und zwar nicht zu knapp.
Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums in diesem Jahr setzt sich deshalb eine heute beginnende Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum (DAM) unter dem Titel „Neuer Mensch, neue Wohnung. Die Bauten des Neuen Frankfurt 1925 bis 1933“ mit Mays Wirken als Leiter des Frankfurter Hochbauamtes auseinander – mit der frühen Moderne am Main. Als Stadtbaurat trug May in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entscheidend zu dieser architektonischen Modernisierung der Mainmetropole bei. Gemeinsam mit dem dortigen Oberbürgermeister Ludwig Landmann brachte er ein außerordentliches Programm baulicher und kultureller Erneuerung auf den Weg. Unter dem Namen „Neues Frankfurt“ nahm hier die Moderne als Lebensform Gestalt an.
Erzieher zum richtigen Leben in der Moderne
Im Zentrum stand ein bis heute beispielhaftes Städtebauprogramm in Zeiten prekären Wohnungsmangels. Innerhalb von acht Jahren wurden in und um Frankfurt 12 000 neue Wohnungen geschaffen: eine unglaubliche Menge. Die aus dem In- und Ausland dafür rekrutierten Architekten des Hochbauamtes leisteten Pionierarbeit und setzten Maßstäbe in der architektonischen Formensprache der sogenannten „Neuen Sachlichkeit“. Den Vertretern der Moderne am Main ging es dabei jedoch nicht nur um quantitative Wohnraumbeschaffung. Für das „Neue Frankfurt“ sahen May und seine Kollegen auch einen „neuen“ Menschen vor, der, umgeben von seinem neuen Wohnraum und zeitgemäßem Hausrat, selbst Teil einer Zeitenwende werden sollte.
TERMINE
Die Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt, Schaumainkai 43, wird an diesem Freitag, 22. März, um 19 Uhr eröffnet. Sie ist bis 18. August dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr sowie mittwochs auch bis 20 Uhr zu sehen.
Die Architekten verstanden sich als legitime Erzieher zum richtigen Leben in der Moderne. Mehr noch als das Bauhaus umfasste das „Neue Frankfurt“ daher nicht nur Architektur, sondern gestaltete sämtliche Lebensbereiche der Gesellschaft – von der berühmten „Frankfurter“ Einbauküche bis zur Elektrifizierung auch schlichter Wohnungen. Sie begründeten den Ruhm der Stadt als Hochburg der Moderne. Anhand von Plänen, Architekturmodellen, Fotos und historischen Filmsequenzen präsentiert die Schau zehn Siedlungen sowie ausgewählte Bauten und Errungenschaften des „Neuen Frankfurt“. Gleich zu Beginn wird die wohl bemerkenswerteste Siedlung des „Neuen Frankfurt“ vorgestellt, die 1928 fertiggestellte „Römerstadt“. Auf einem Höhenrücken an der Nidda gelegen, passt sie sich in ihrer Anlage den topografischen Gegebenheiten an. Trotz architektonischer Rationalisierung ist die Gestaltung nicht monoton. Brüche in der linearen Straßenführung und Schwünge in den immer gleichen flachgedeckten Einfamilienreihenhäusern schaffen Abwechslung fürs Auge.
Die Ausstellung betont die Eigenständigkeit der Ideen des „Neuen Frankfurt“. „Man könnte meinen, dass das Bauhaus eine Sonne war, die auf alles strahlte und eine globale Kultur der Moderne hervorgebracht hat“, sagt Kurator Wolfgang Voigt. „Wenn dem so war, dann war das „Neue Frankfurt“ kein Planet in diesem Sonnensystem, sondern ein eigener Stern mit eigener Strahlkraft.“
Diese Strahlkraft bleibt dem Besucher nicht verborgen. Zur Hundertjahrfeier des „Neuen Frankfurt“ im Jahr 2025 braucht es deshalb sicher keine wohlwollenden Worte des Bauhaus-Altmeisters Gropius mehr, um Mays Bedeutung zu belegen.