Die junge Frau erzählt, was in der WhatsApp-Gruppe mit 30 anderen Frauen passiert. Und warum sie weiterhin zu einem Konzert Ende Juni fliegen will.
Mainz. Es war der 24. April 2023, als in Annas (Name von der Redaktion geändert) Instagram-Account plötzlich eine Nachricht auftauchte. „Hallo! Gehst du zur Rammstein-Show in diesem Sommer? Ich möchte dich zur Row Zero vor der Bühne einladen“, stand dort auf Englisch. Anna, Anfang 30, wohnhaft in Mainz, überlegte eine Weile. Das Profil der Absenderin, die sich als Alena Makeeva ausgab, wirkte seriös. Ob es sich tatsächlich um die „Recruiting-Direktorin“ handelt, die zum engeren Umfeld von Rammstein-Sänger Till Lindemann gehören und seit mehreren Jahren weibliche Fans speziell für ihn „gecastet“ haben soll, ist unklar. Anna antwortete schließlich einige Stunden später: „Hey, wow, das klingt super interessant. Ja, ich bin beim Konzert am 26. Juni.“ An diesem Abend spielt Rammstein in Lissabon.
Sie meinen, Till Lindemann habe sich absolut korrekt verhalten, regelrecht fürsorglich.
Anna, deren echter Name uns bekannt ist, hatte sich schon vor einem Jahr ein Ticket gekauft. Sie erzählt im Gespräch mit diesem Portal: „Ich fand die Musik schon immer faszinierend. Letztes Jahr habe ich dann beschlossen, auch mal zu einem Konzert zu gehen. Es sollte DAS Highlight in 2023 werden. In der ersten Reihe zu stehen – das klang natürlich traumhaft.“ Der Kontakt riss jedoch ab, Anna hörte vorerst nichts mehr. Bis sie am 17. Mai einen Instagram-Post kommentierte. Kurz darauf erhielt die Mainzerin einen Link zur „Lissabon Gästeliste“. Screenshots der Unterhaltung liegen uns vor. Anna trat daraufhin einer WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Lisbon Rammstein 26.6.“ bei. Darin sind insgesamt 30 Frauen. Aus weiten Teilen Europas, aus den USA und Kanada. Anna ist die einzige Deutsche. Und sie berichtet: In der Gruppe herrscht große Vorfreude auf den 26. Juni.
Die Freude ist ungetrübt
Die ist auch bei Anna ungetrübt. Dass in den vergangenen Wochen mehrere Frauen Vorwürfe gegen Lindemann erhoben haben, stimme sie „natürlich nachdenklich. Wenn es wahr ist, würde das mein Bild selbstverständlich ändern. Aber es gilt die Unschuldsvermutung“. Die Frauen behaupten in sozialen Medien (meist anonym) und gegenüber mehreren Medien, dass es möglicherweise zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gekommen sein soll. Mitunter werfen sie Lindemann auch vor, dass ihnen womöglich ohne ihr Wissen K.o.-Tropfen verabreicht worden sein sollen. Anna habe mit zwei Frauen aus der Gruppe persönlich gesprochen. Beide behaupten, sie hätten bereits Aftershowpartys von Rammstein beigewohnt. „Sie meinen, Till Lindemann habe sich absolut korrekt verhalten, regelrecht fürsorglich. Ihnen ist überhaupt nichts Negatives aufgefallen.“
Anna will „in jedem Fall nach Lissabon fliegen“. Ihr Ticket habe sie zwar verkauft, „Alena meinte, wir kriegen vor Ort ja Einlassbändchen. Ob das noch der Fall ist, ist natürlich jetzt fraglich, aber vielleicht kommen wir auf anderem Wege ja noch rein“. Rammstein hat sich nach eigenen Aussagen von Makeeva getrennt, die Zusammenarbeit beendet. Zudem teilten die Anwälte Lindemanns am Donnerstag mit, dass man juristische Schritte aufgrund der Vorwürfe gegen Einzelpersonen und Medien einleiten werde. „Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr“, heißt es in dem Schreiben der Kanzlei Schertz/Bergmann, die in zahlreichen Fällen Prominente in medienrechtlichen Streitfällen vertreten hat und in dieser Hinsicht als bekannteste deutsche Kanzlei gilt.
„Bin ich die Einzige, die zweifelt?“
Sie würde sich sehr über Plätze in der ersten Reihe freuen, meint Anna. Ob sie zur Aftershowparty gehen würde, würde sie vor Ort entscheiden. „Das würde darauf ankommen, wie sich die anderen Mädchen verhalten. Wenn zu viele Verrückte dabei wären, wäre das nichts für mich“, sagt die Mainzerin. An Intimitäten mit Lindemann sei sie nicht interessiert, „aber es gibt einige Mädchen in der Gruppen, die da große Lust darauf hätten. Sie sind regelrecht verrückt nach ihm“, schildert sie.
Auf die „Pre-Party“ würde sie definitiv verzichten. „Die wäre in der Garderobe von Till Lindemann. Das ist nichts für mich.“ Als die Vorwürfe gegen Lindemann bundesweit für Schlagzeilen sorgten, sei das in der Gruppe „zunächst kein Thema gewesen“, berichtet Anna. „Ich habe mich gefragt: Bin ich die Einzige, die deshalb nun zweifelt?“ Sie habe dann den Kontakt zu den beiden genannten Frauen gesucht. Deren Äußerungen hätten sie beruhigt. Aktuell gehe es vor allem um die Frage, ob man in Lissabon noch in die „Row Zero“ komme. Denn bei den Konzerten in München wurde der Aufenthalt in dieser „Reihe Null“ direkt vor der Bühne nach Bekanntwerden der Vorwürfe untersagt.
Anna hat blonde lange Haare, ist sportlich. Sie postet gerne Bilder von sich im Urlaub oder mit Freundinnen. Ein normaler Account einer jungen Frau. Wie Makeeva auf sie gekommen sein könnte? „Keine Ahnung“, meint Anna. „Vielleicht weil ich mal unter einen Post von Rammstein geschrieben habe, dass ich mich total auf das Konzert in Lissabon freue.“ Makeeva habe selbst nichts in der Gruppe geschrieben, eine andere Frau, Anna nicht näher bekannt, wiederum die Informationen zum Ablauf des Abends gepostet. Auch dieser Screenshot liegt unserer Redaktion vor.
Klare Angaben zum „Dresscode“
Die eingeladenen Frauen sollen sich um 16.30 Uhr an einem Ort einfinden, der ihnen noch mitgeteilt werde. Zehn bis 15 Frauen würden, so die Nachricht, normalerweise für die Pre-Party ausgewählt werden, es gebe Getränke und Snacks. Zur Aftershowparty dürften alle Frauen. Dazu der „Dresscode“: Gutes Make-Up und gute Haare, helle, farbenfrohe, weibliche und elegante Cocktailkleider. Kein Schwarz. Und wenn doch, dann kombiniert mit anderen Farben. Zudem solle auf Merchandise-Artikel verzichtet werden. Wer möge, könne die Outfits vorab in der Gruppe posten. Dem kamen viele der Frauen nach, schickten Fotos von sich in die Runde.
Anna wird die Entwicklung des Falls in den kommenden Tagen und Wochen genau verfolgen. Noch ist sie unbesorgt. Sie wird alleine nach Lissabon fliegen. „Natürlich wäre es schöner, wenn jemand dabei wäre, den ich kenne, aber in meinem Freundeskreis hört kaum jemand Rammstein“, so die Mainzerin, die „zum jetzigen Zeitpunkt keine Partei ergreifen will. Ich möchte mir am liebsten mein eigenes Bild vor Ort machen“.