Mainz ehrt 2018 Gutenberg – aber um das nach ihm benannte Museum wird im Jubiläumsjahr gestritten
Von Johanna Dupré
Redaktionsleiterin Kultur Mainz
Kampf für „Museum der Zukunft“: Mainz ehrt 2018 den Buchdruck-Erfinder. Doch um die Erweiterung des nach ihm benannten Museums wird im Jubiläumsjahr gestritten. Foto: Sascha Kopp
( Foto: Sascha Kopp)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Mainz. „Es ist bitter“, sagt Annette Ludwig, die Direktorin des Gutenberg-Museums. „Ich will das gar nicht beschönigen“. Bitter für sie ist, dass ein Kampf, den sie seit Jahren führt, im Frühling ins Leere laufen könnte – ausgerechnet im Gutenberg-Jahr 2018, in dem Mainz den 550. Todestag des Stadtsohns würdigt. Das Jubiläum hätte im Januar durch den Spatenstich für das „Museum der Zukunft“ eingeläutet werden sollen – so der Titel eines Erneuerungsprojekts, das das Gutenberg-Museum zu überregionaler Strahlkraft führen will.
Doch der Spatenstich wurde verschoben. Stattdessen steht am 15. April eine Abstimmung über den für einige Mainzer zum Reizwort mutierten Bibelturm auf dem Programm – den Neubau, der im Konzept als erster Schritt vorgesehen ist und unter anderem die effektvolle Präsentation der Gutenberg-Bibel ermöglichen soll. Es ist der erste Bürgerentscheid in der Stadt – an seinem Ende könnte das vorläufige Aus für eine einmalige Zukunftsperspektive des „Weltmuseums der Druckkunst“ stehen. Jedenfalls aus Sicht von Annette Ludwig. „Eine Ablehnung wäre ein Riesendämpfer“, sagt sie. „Und eine Zäsur in der Geschichte des Museums“.
Denn dass sich in Mainz etwas bewegen muss, steht für die 2010 angetretene Leiterin außer Frage. „Ich habe mich früher als Besucherin gefragt, wieso das Haus seine Schätze nicht auf der Höhe der Zeit präsentiert“, erzählt sie. Vieles an der Dauerausstellung ist veraltet, die Präsentation der Exponate in Vitrinen in den 60ern stehen geblieben – jener Zeit, als das heutige Hauptgebäude Schellbau entstand. Dazu kommen Mängel bei der Besucherführung, fehlende Barrierefreiheit, fehlende Toiletten. „Aus der Innensicht erschließen sich einige Gründe“, sagt Ludwig. Ein Problem ist etwa die rein städtische Trägerschaft. Mainz ist hoch verschuldet, habe so auf lange Sicht nicht die Mittel, das Museum personell und finanziell adäquat auszustatten.
Kampf für „Museum der Zukunft“: Mainz ehrt 2018 den Buchdruck-Erfinder. Doch um die Erweiterung des nach ihm benannten Museums wird im Jubiläumsjahr gestritten. Foto: Sascha Kopp Foto: Sascha Kopp
Im ersten Schritt der geplanten Erneuerung soll der Bibelturm samt unterirdischem Erweiterungsbau entstehen. Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum lehnt den Turm ab und will ohne Neubau modernisieren. Im April kommt es zum Bürgerentscheid. Foto: DFZ-Architekten Foto: DFZ-Architekten
„Es ist bitter. Ich will das gar nicht beschönigen“, sagt Annette Ludwig, Direktorin des Gutenberg-Museums in Mainz zum möglichen Scheitern des Neubauprojekts. Foto: Museum Foto: Museum
3
Das war für die Kunsthistorikerin aber kein Grund zu Resignation. Stattdessen versucht sie zunächst, durch inhaltliche Setzungen wie einen Typografie-Schwerpunkt das Maximum aus dem Vorhandenen rauszuholen – und kann die Besucherzahlen von 108 700 (2011) auf 129 730 (2016) steigern.
Und plötzlich ist da eine Chance um, wie sie sagt, „aus der Not eine Tugend zu machen“. Weil die Museumsbauten Römischer Kaiser und Schellbau brandschutztechnisch überholt werden müssen, werden Mittel bereitgestellt, von denen nach Sanierung des Kaisers etwa fünf Millionen Euro übrig bleiben. Die Gelegenheit für Ludwig, ein „Fenster in die Zukunft des Museums aufzustoßen“. Dank eines Benefizkonzerts kommt Geld für ein Szenografie-Konzept zusammen, es wird Grundlage zur Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs. Ziel: Ein Entwurf, der es ermöglicht, in mehreren Bauabschnitten zu einem modernen Museumsquartier zu gelangen und der gleich zu Beginn mit den vorhandenen fünf Millionen ein sichtbares Zeichen setzt. Gewinner: Die DFZ-Architekten und ihre Kombi aus markantem Turm und unterirdischem Erweiterungsbau, der als Verbindung zum Schellbau funktioniert.
Die Stadtpolitik unterstützt die Erneuerung – aber gegen den Neubau regt sich Widerstand. Einige Mainzer empfinden den Turm als Fremdkörper, stören sich an Eingriffen auf dem Liebfrauenplatz, fürchten eine Beeinträchtigung des beliebten Marktfrühstücks. Eine Bürgerinitiative (BI) formiert sich, die bald auch grundsätzliche Fragen zu Konzept und Finanzierung stellt – schließlich stimmt der Stadtrat für den Bürgerentscheid.
Auch Ludwig ist für Bürgerbeteiligung; die derzeitige Unsicherheit ist für sie trotzdem schwer zu ertragen. „Wir wollen den Bürgern doch nichts wegnehmen, sondern etwas für sie tun“, sagt sie und appelliert an die Mainzer, sich nicht durch Emotionen leiten zu lassen. Bei Besucherführungen führt sie ins Feld, was aus ihrer Sicht gegen die Einwände der Kritiker spricht: Etwa, dass sich der Aufwand für 70 Quadratmeter Fläche im Turm und 400 Quadratmeter „Kellerbau“ nicht lohne. Ludwig verweist dazu auf die „hohe Aufenthaltsqualität“ in anderen unterirdischen Museumsbauten wie im Colmarer Unterlinden-Museum oder im Städel, und betont, dass auch die Wände des Turms sich für Präsentationen nutzen ließen.
Außerdem dürfe man den Turm nicht als Solitär betrachten – sondern als Auftakt zum neuen Quartier, das Chancen zu einer veränderten Trägerschaft und damit eine echte Zukunftsperspektive eröffnen soll. „Das ist eine historische Chance“, sagt Ludwig. Der Vorschlag der BI, die fünf Millionen lieber in die Sanierung des Schellbaus zu stecken, sei daher nicht nur problematisch, weil das Museum vorübergehend geschlossen werden müsste. „Am Ende reicht das Geld dann auch nur für Brandschutz und Fluchttreppen, nicht für die nötige Erneuerung“, sagt Ludwig. Durch den Neubau zur Entlastung des Schellbaus soll das vermieden werden – in der Hoffnung auf Sponsoren für die weiteren Bauabschnitte, und weil dann erste brandschutzsichernde Maßnahmen zunächst ausreichen sollen.
Museumsplaner sehen bei Finanzierung Risiko
Natürlich ist aber nicht garantiert, dass es gelingt, Sponsoren zu finden. In der Kritik an einer fehlenden Gesamtfinanzierung geben externe, überregional tätige Museumsplaner auf Anfrage dieser Zeitung der BI recht. „Eigentlich bräuchte es ein klares Commitment der Stadt“, sagt etwa Joachim Huber (Prevart GmbH), der den Entwurf an sich eher positiv sieht. Auch Dieter Bogner von „Bogner.Knoll“ ist bei der Finanzierung skeptisch; sagt aber gleichzeitig: „Ein solcher Neubau bietet die Chance, identitätsstiftend für Museum und Stadt zu sein“. Er verweist auf das Museumsquartier in Wien, wo in den 90ern der Bau eines als Wahrzeichen geplanten Leseturms scheiterte: „Heute finden viele, dass etwas fehlt“. In Mainz besteht für Ludwig die Gefahr, dass am Ende nicht ein Turm fehlt – sondern ein ganzes Quartier.