Jugendfilm „Der Junge und die Wildgänse“ bei Amazon Prime

Auf den Spuren von Nils Holgersson von Lappland in die Camargue: Thomas hebt mit seinen Wildgänsen ab. Foto: Capelight
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Playstation-Pubertist wird flügge: Nicolas Vanier erzählt von einem Scheidungskind, das die Vogelmama für süße Küken spielt.

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. Ostereier liegen in diesen Tagen ja bleischwer in den Regalen. Corona-Kontaktsperre und Eiersuchen passen auch nicht besonders gut zusammen. Diese 20 Eier aber kommen zu Ostern genau richtig: Der Tierschützer Christian (Jean-Paul Rouve) brütet sie im Wärmeschrank aus – bis lauter flauschige Küken schlüpfen. Es sind Zwerggänse, die er in der Camargue aufziehen wird, um sie dann mit dem Kleinbus nach Lappland zu fahren, von wo es mit dem Ultraleichtflugzeug auf der Vogelroute nach Süden wieder zurückgehen soll. Nachhilfe für die Natur und gegen das Artensterben.

Nicolas Vaniers Film „Der Junge und die Wildgänse“ ist inspiriert von den Taten des französischen Meteorologen Christian Moullec, der vielfach Gänsen den Weg durch die Lüfte wies. Ursprünglich sollte diese Produktion jetzt im Kino laufen, nun aber kommt sie an diesem Donnerstag, 9. April, bei Amazone Prime und als Video on demand heraus. Landschafts- und Tieraufnahmen, die es mit aus der Dokumentation „Nomaden der Lüfte“ aufnehmen können, treffen hier auf eine Vater-Sohn-Geschichte vom Erwachsenwerden, die in ein abenteuerliches Öko-Märchen mündet. Der französische Schriftsteller, Abenteurer und Regisseur Nicolas Vanier, der neben rund 20 Dokumentationen auch den Jugendfilm „Der Junge und der Wolf“ über Rentier-Nomaden in Sibirien drehte, hat für diese Erzählung das richtige Händchen.

In den Ferien kommt Christians wohlstandsverschnöselter Sohn Thomas (Louis Vazquez), der sonst bei der Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten wohnt, in die Camargue und muss entsetzt feststellen, dass sein Vater mit einer Kutte wie Catweazle rumläuft, Eier mit Rasenmähersound beschallt und vor allem kein Wlan im Haus hat. Und das soll er fünf Wochen lang aushalten? Niemals! Der kleine Pubertist motzt und muffelt, denn er will nur daddeln. Doch dann schlüpfen die ersten Gänschen, und es ist um den Jungen geschehen. Um den Zuschauer auch. Bald schon hüpfen Vater und Sohn mit Tröten vor den Küken herum. „Wir werden Eltern“, jubelt der Vater und erklärt dem Sohn: „Du bist die Mama!“ Nach anfänglichem Widerstand erliegt der zivilisationsgenervte Knabe aus der zerrissenen Kleinfamilie dem Lockruf der Natur und erschafft sich eine schnatternde Patchworkfamilie. Wobei ihm die Nonnengans Akka, die sich ins Zwerggansgelege verirrt hatte, besonders ans Herz wächst. Wer würde nicht auf diese Art von Wahlverwandtschaft fliegen?

Das ist unwiderstehlich anrührend, spektakulär anzuschauen, jedoch nicht immer schön anzuhören. Die Filmmusik pinselt entschieden zu viel Gefühlsschmiere über eine Story, die auch so schon süß wie ein Schokoei ist. Egal! In der ersten Hälfte des Films findet Thomas nicht nur seinen Vater wieder, sondern zugleich einen Stall voll flauschiger Ziehkinder. Was herzig beginnt, wird verwegen, denn in Norwegen verhängen die Behörden ein veterinärmedizinisches Startverbot. Der Sohn der Playstation aber hat mittlerweile seine Selma Lagerlöf gelesen und hebt ab auf den Spuren von Nils Holgersson.