Im düsteren Sog der Wiederholung

Kollektives Skandieren statt Individualisierung: Vier Stunden arbeitete sich das Ensemble am „Perser“-Stoff ab. Foto: Schauspiel Frankfurt

Ein vierstündiger Kraftakt: Am Schauspiel Frankfurt zeigt Regisseur Ulrich Rasche mit “Die Perser“ die monumentale Inszenierung einer militärischen Niederlage in der Antike.

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FRANKFURT. Dieser Abend ist monströs. Der ohne Unterlass bewegte Untergrund ist das fundamentale Stilmittel, mit dem der Regisseur Ulrich Rasche seit Jahren in all seinen Inszenierungen arbeitet. Laufbänder, gewaltige rotierende Walzen oder ewig kreisende Scheiben zwingen die Schauspieler in die Choreografie eines Laufens ohne Rast – und ohne Fortkommen, immer auf der Stelle. Sprechendes Bild eines Unterworfenseins des Menschen unter die Kräfte eines unerbittlichen Fortgangs der Geschichte.

Methode Rasche? Es gibt, einstweilen zumindest, keinen Anlass, das als Manie abzutun. Denn Rasche entwickelt sein choreografisch-musikalisches Theater in immer aufs Neue frappierender Art aus einer Durchdringung der zumeist klassischen Vorlagen heraus. Nach der Premiere vor Monatsfrist bei den Salzburger Festspielen ist seine Beschäftigung mit Aischylos’ „Die Perser“ nun ins Repertoire des Frankfurter Schauspiels übergegangen.

Zwei sich drehende Scheiben sind die Welt

Die Welt, das sind auf der von Rasche entworfenen Bühne zwei sich drehende Scheiben. Viel Bericht, wenig Handlung: In der ältesten aller überlieferten Tragödien, uraufgeführt 472 vor unserer Zeitrechnung, schildert ein Chor von Staatsältesten die Schrecken einer militärischen Niederlage aus einer Einfühlung in die Sicht des unterlegenen Gegners, der Perser, die ungeachtet einer Übermacht ihrer Invasionsarmee in der Schlacht von Salamis von den Griechen desaströs geschlagen worden sind. Nicht eine Feier des Sieges durch den griechischen Kriegsteilnehmer Aischylos, vielmehr eine Mahnung wider die männliche Hybris und ein Plädoyer für die Demokratie. Den Chor der Greise hat Rasche mit den jungen Schauspielerinnen Katja Bürkle und Valerie Tscheplanowa besetzt. Deren manieriert-expressionistische Sprechweise exponiert die Worte der Klage und des Entsetzens in der famosen Übertragung der Verse von Durs Grünbein. Die Frauenfiguren – als dritte in dieser Gruppe Patrycia Ziolkowska als Atossa – hat Sara Schwartz in schwarze Kleider von schlichter Modernität gehüllt. Streng separiert sind die Sphären des Männlichen und des Weiblichen. Die Krieger sind Masse, mit Kreuzhaltegurten auf den nackten Oberkörpern; Xerxes, ihr Führer, ist mit Max Bretschneider, Torsten Flassig und Johannes Nussbaum dreifach besetzt. Szenenweise werden Bilder von den verschwitzten Gesichtern der sich abmühenden, todgeweihten Kämpfer als Großaufnahme auf eine Gaze im Mittelgrund des Raums projiziert, im Augenblick des Schlachtengetümmels als veritables Gewitter der Bildblitze. Individualisierung, Psychologie gibt es bei Rasche nicht. Stattdessen ein kollektives Skandieren, das theaterhistorisch an Einar Schleef erinnert.

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Die Musik von Ari Benjamin Meyer, gespielt von einem Ensemble in den Winkeln rechts und links an den Seiten, schafft mit minimalistischer Perkussion viel hochgespannte Dramatik.

Diese Aufführung vermag einen in ihren Bann zu ziehen, über beinahe vier Stunden hinweg. Ein Kraftakt, ein monumentales Theater der unerbittlichen Maschinerie, mit einem düsteren Sog der exerzitienhaften Wiederholung in mitunter schier ins Endlose gedehnten Bildern. Das macht einen tiefen Eindruck.