Ob dieser wütende junge Mann auch gerade an „Parasiten“, „Volksverräter“ oder „Volkszertreter“ denkt? Foto: allvision – stock.adobe.com
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WIESBADEN - Thüringens AfD-Vorsitzender André Poggenburg nennt in Deutschland lebende Türken „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“. Sein Parteikollege Peter Boehringer, immerhin Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag, soll die Bundeskanzlerin „Merkelnutte“ und „Dirne der Westmächte“ genannt haben. Die Sprache scheint aber nicht nur am rechten Rand der politischen Bühne zu verrohen. „Ab morgen kriegen sie in die Fresse“, formuliert die SPD-Frontfrau Andrea Nahles und meint den politischen Gegner. Das ist auch nicht nett.
Bis zur Androhung von Gewalt
Welche Tendenzen beobachtet eine Sprachwissenschaftlerin, die den Wortschatz von Rechtspopulisten in sozialen Netzwerken untersucht? Geht dort die Saat auf, die auf der politischen Bühne gestreut wird? Die AfD hatte sich in einem Strategiepapier 2017 vorgenommen, bewusst politisch „inkorrekt“ zu sein und zu provozieren.
„Ich denke, die Richtung ist umgekehrt“, entgegnet Alexa Mathias von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Die „politische Inkorrektheit“ sei in den sozialen Netzwerken bereits gängige Praxis gewesen „und wurde von der AfD aufgenommen, um diese Community als potenzielle Wähler zu gewinnen“.
„Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die Militanz beziehungsweise Radikalisierung bei der Wahl der sprachlichen Mittel zugenommen hat“, sagt Alexa Mathias mit Blick auf die Tendenzen bei Facebook. „Wahnsinnig innovativ“ seien die Nutzer ja nicht. „Deutlich zu erkennen ist jedoch eine drastisch gesunkene Hemmschwelle, diese Mittel verstärkt einzusetzen. Das reicht von der Wortwahl bis hin zu ungehemmten Androhungen von Gewaltanwendung.“
Alexa Mathias hat an der Universität Hannover mit einer Arbeit zum Sprachgebrauch rechtsextremer Gruppierungen promoviert – mit Schwerpunkt auf deren Metaphorik, also auf Bedeutungsübertragungen, wie sie etwa in der Schädlings-Metapher „Parasit“ vorliegt. In Wiesbaden hielt sie kürzlich bei der Gesellschaft für deutsche Sprache einen Vortrag über „Wortschatz und Legitimationsstrategien rechtspopulistischer Bewegungen“. Eine Gelegenheit, die Spezialistin für die Sprache des Hasses zu ihren Beobachtungen zu befragen.
Aus näherer Untersuchung der Facebook-Gruppe von Pegida ergebe sich unter anderem, dass sich die „Inkorrektheit“ besonders gerne in Schädlings-Metaphern äußert („Volksparasit“). Als „Gegnergruppe“ wird oft die Regierung ins Visier genommen. Da sei das Wortspiel „Volksvertreter – Volksverräter oder auch Volkszertreter“ nicht selten.
„Tendenziell“, meint die Sprachforscherin, seien Politiker als Feindbild wichtiger als Migranten. Bei Migranten würde zumindest im untersuchten Facebook-Material deutlich unterschieden zwischen gut integrierten Arbeitsmigranten früherer Jahrzehnte und Neuankömmlingen. „Als hochfrequentes Feindbild von Pegida darf man allerdings nicht das politisch linke Spektrum unterschlagen, das hier recht weit gefasst wird – es fängt zum Teil schon bei der CDU, spätestens aber bei SPD und Grünen an.“
Das „System“ ist offenbar ebenfalls ein „starkes Feindbild“, bei dem es Berührungspunkte zwischen Linken und Rechten gibt. „Auch Vokabular der radikalen Linken aus den 60ern und 70ern findet man – vor allem, wenn es um Kapitalismuskritik und Attacken gegen Wirtschaft und Konzerne geht.“
Die Medien werden von Rechtspopulisten gerne als „Lügenpresse“ diffamiert. „Dieses Wort ist steinalt“, sagt Alexa Mathias: Es habe bereits vor dem Ersten Weltkrieg existiert und sich damals hauptsächlich auf die ausländische Presse bezogen, teils auch auf politisch eher linke Blätter.
Und was macht die Sprachwissenschaftlerin, wenn sie auf strafbare Formulierungen stößt?
„Zum Glück ist es mittlerweile in den sozialen Medien möglich, fragwürdige oder potenziell strafbare Inhalte an den Betreiber der Plattform zu melden. Das tue ich natürlich.“ Bei der Beschreibung erhobener Daten müsse sie aber Distanz wahren: „Ich ordne die jeweiligen Belege wissenschaftlich ein, aber ich nehme keine emotionalen Bewertungen vor.“ Hier müsse sie ihre berufliche Arbeit von ihrer privaten Meinung getrennt halten, um als Wissenschaftlerin glaubwürdig zu bleiben. Manchmal sei das „belastend“. Aber da helfen der Sprachwissenschaftlerin Alexa Mathias Spaziergänge, Sport – oder der Dialog mit anderen Menschen.