Die Darmstädter Sezession lädt im Rahmen ihrer 100-Jahrfeier zu ersten Ausstellungen ein. Unter dem Motto „Fakt I“ zeigen im Designhaus 13 Maler großformatige Bilder.
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
Düstere Vision der Endzeit: Das Gemälde von Ryo Kato ist Teil der Ausstellung „Fakt I“, mit der die Darmstädter Sezession ihren Veranstaltungsreigen zum Jubiläum eröffnet.
(Foto: Guido Schiek)
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DARMSTADT - Die weiten, hohen Wände des Darmstädter Designhauses bieten ideale Möglichkeiten für große Formate: Dort können sie atmen, ihre Wirkung entfalten. Die Darmstädter Sezession, die das Designhaus in ihrem Jubiläums-Sommer zum eigenen „Stützpunkt“ erklärt hat, nutzt diese Möglichkeit gleich zwei Mal. „Fakt I“ und „Fakt II“ heißen die Ausstellungen des Veranstaltungsreigens, in denen zur 100-Jahrfeier Gemälde von Sezessionsmitgliedern gezeigt werden.
Künstlerische Ideenwelten treffen sich
Die Maler-Mitglieder wurden angeschrieben, ob sie Großformate einreichen wollen, 24 von ihnen fanden Freude daran, und aus jeweils mehreren vorgeschlagenen Werken haben die Sezessionsmitglieder Werner Neuwirth und Gerd Winter ausgewählt. In „Fakt I“ zeigen sie Bilder von 13 Malern, die thematisch wie stilistisch völlig unterschiedlich ausgerichtet sind. Doch fällt auf, dass die künstlerischen Ideenwelten sich immer wieder treffen. Vor allem steht der stete Kampf der Moderne mit künstlerischer Sinnstiftung im Fokus.
Franz Baumgarten beispielsweise bleibt auf den ersten Blick nah am Abbild. In seinem Gemälde „Am Strand“ verstellt eine verregnete Glaswand den freien Blick auf die Natur, was Meer und Sand mit Grautönen überzieht – und dabei das alte Bildmotiv vom Blick durch ein Fenster in die Weite der Welt ins Gegenteil verkehrt. Dieser Strand hält für den Unbekannten, der durchs Fenster schaut, keine Hoffnung auf die Integration in eine allgemeine Sinnhaftigkeit bereit, denn dieses Fenster wird verschlossen bleiben.
TERMIN
Die Vernissage ist am Samstag, 8. Juni, Teil der Eröffnung des Festivals „Den Bogen spannen – 100 Jahre Darmstädter Sezession“ im Designhaus Darmstadt (Eugen-Bracht-Weg 6); geöffnet ist von 18 bis 22 Uhr. Danach ist die Schau bis 5. Juli jeweils donnerstags von 16 bis 22 Uhr sowie freitags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. (aka)
Mit dem Grau als Grund und dem Verschwimmen spielt auch Willes Meinhardt. Doch entzieht er sozusagen am anderen, offenen Ende abstrakter Möglichkeiten seinem Bild Formen und Tiefe fast völlig. Vage Farbtöne schimmern im Mehrschichtenaufbau dieser Hinterglasmalereien von hinten auf.
Die Schau markiert Positionen. So hat die gegenständliche Malerei nicht nur bei Baumgarten ihren Abbildcharakter zugunsten von Erfahrungswelten aufgegeben. Wenn Fides Becker einen „Spiegelsaal“ zeigt, wirkt der nur noch wie ein verblautes Foto verkommener barocker Pracht und Ordnung. Und Isabelle Dutoit macht Mensch, Tier und Natur gleich ganz zu „Mischwesen“, so ihr Bildtitel.
Harmonie auf der Basis gesellschaftlicher oder gar religiöser Gemeinsamkeit ist für die Künstler dieser Schau keine thematische Möglichkeit mehr. Ihre Welten sind individuell: ein Nebeneinander von Erfahrungen. Das führen Gloria Brand und Werner Neuwirth vor Augen. Brand zerstört den Bildgrund: Aus der Leinwand werden zum Hochformat geschichtete Hohlkörper, dicht an dicht beklebt mit bedruckten Papierfetzen, zu denen spärliche Eingriffe mit Pinsel und Farbe kommen. Neuwirth hingegen collagiert, er malt und beklebt fast zurückhaltend. Auf Quadraten, die an Mathematik-Schulhefte erinnern, vereint er dabei streng angelegte mathematische Figuren mit zerlaufenden Schriftfetzen und stilisierten Naturzeichnungen zu einem modernen Kopfkino.
Steckt meditierender Abgesang auf unsere Welt selbst in solchen Bildern? Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass Ryo Katos düstere Vision Vision bleibt. Denn er bringt mit wüstem Strich ein wahres Endzeitszenarium auf die Leinwand.