Robert Borgmann inszeniert Kafkas „Schloss“ in Frankfurt als poetisches Bildertheater
Von Johanna Dupré
Redaktionsleiterin Kultur Mainz
Katharina Bach und Max Mayer in „Das Schloss“. Borgmann arbeitet in der Kafka-Adaption mit starken Licht-Akzenten. Foto: Birgit Hupfeld
( Foto: Birgit Hupfeld)
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FRANKFURT - Minutenlang ist da nur dieses Röcheln, ein schweres Atmen im Dunklen. Eine winzige Lampe lässt langsam erste Konturen erkennen. Unter ihr kauert, an der Wand Halt suchend, ein Mensch, oder vielmehr eine Kreatur: nackt, unförmig, gleichzeitig aufgedunsen und eingefallen, faltig. Mühsam schleppt er sich im Halbdunkel zu einer Toilette. Dann quer über die Bühne zu Wasserhähnen, aus denen Sand rieselt, dann wieder zur Wand, zur Toilette; wieder und wieder.
Es ist eine ebenso absurde wie an basalste Bedürfnisse erinnernde Handlungskette – und ein starker Einstieg in Robert Borgmanns Frankfurter „Schloss“, für das der Regisseur Kafkas Roman-Fragment selbst für die Bühne adaptiert hat. Stark, weil die stummen Bilder einen emotionalen Kern von Kafkas Fragment auf den Punkt bringen. Wie diese Kreatur, die auf viele Arten jene menschlichen Daseinsformen verkörpert, die unsere Leistungsgesellschaft an den Rand drängt – die Alten, Gebrechlichen, Hässlichen, Müden – so ist auch der Protagonist K. im „Schloss“ ein Ausgestoßener. Ein Fremder, der in dem zum Schloss gehörenden Dorf keine Daseinsberechtigung hat – und doch dafür kämpft, auch mit unlauteren Mitteln, gegen ein undurchsichtiges bürokratisches System. Und scheitert, immer wieder.
Borgmann, in der Region auch durch einige Arbeiten am Mainzer Staatstheater bekannt und bereits zwei mal zum Theatertreffen eingeladen, gilt als einer jener Regisseure, die Texte als Steinbrüche betrachten, aus denen sie Eigenes formen. Teils hat ihm das in der Vergangenheit den Vorwurf der Unverständlichkeit eingebracht. Im „Schloss“ zeigt sich Borgmanns freie, visuelle Herangehensweise (er studierte ursprünglich Kunst und gestaltet meist sein Bühnenbild selbst, so auch in Frankfurt) jedoch als klarer Pluspunkt: Die Inszenierung behält das Rätselhafte, Universell-Abstrakte der Kafkaschen Vorlage, ohne unzugänglich zu sein. Denn immer wieder entstehen auf der von schwarzen Ziegeln, Sand und Lichträumen (Licht: Johan Delaere) geprägten Bühne beeindruckende Momente. Momente, bei denen, unterstützt durch Philipp Webers minimalistische Synthesizer-Klänge, die auf der Bühne arrangierten Körper emotional bedeutsam werden: Etwa, wenn K. mit nacktem Oberkörper durch orangen Nebel kriecht, oder seine Gehilfen in Decken gehüllt am Boden liegen. Auch die abstrakt-viktorianischen Kostüme (Thea Hoffmann-Axtheim) geben den Tableaus etwas Gemäldehaftes.
Bei mehr als drei Stunden Dauer auch ein paar Längen
Demgegenüber droht das Schauspiel fast etwas ins Hintertreffen zu geraten – was nicht am Ensemble liegt, das durchweg gute Leistungen zeigt. Überzeugend stellt etwa Max Mayer auch K.s problematische Seiten heraus, und Katharina Knap verleiht ihrer Olga eine so frische Natürlichkeit und schildert ihre Not so eindringlich, dass sie für ihren Monolog hoch verdienten Szenenapplaus erhält. Aber insgesamt ist Borgmanns Inszenierung doch eher als Bildertheater stark, das teils sogar Rollenzuteilungen wandern lässt. In die klassischen Spielszenen schleichen sich hingegen auch mal Längen – was nicht zuletzt der Aufführungsdauer von über drei Stunden geschuldet ist.