Ewiges Ringen: Der Mensch greift nach der Welt, und dann kämpft er mit deren Bedrängnissen. Der in Saulheim und Flonheim ansässige Bildhauer Eberhard Linke, der heute seinen...
FLONHEIM/SAULHEIM. Ewiges Ringen: Der Mensch greift nach der Welt, und dann kämpft er mit deren Bedrängnissen. Der in Saulheim und Flonheim ansässige Bildhauer Eberhard Linke, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, hat die Unwägbarkeiten des Erdenlebens in robusten, manchmal martialischen, aber immer auch vom Verfall kündenden Plastiken zu seinem Thema erhoben. Unverkennbar die Handschrift: Seine Figuren sind handfest, derb, erdverbunden, aber ihre Terrakotta-Hülle splittert, verformt sich, bricht auf.
Von Linkes Weltenwanderern gibt es in der Region im öffentlichen Raum viele. Der „Mauerläufer“ (1992) vor der Wasser- und Schifffahrtsdirektion auf dem Mainzer Lerchenberg erzählt vom Kampf des Einzelnen gegen das Element, aus dem er stammt und das ihn bindet. Der „Mann von Castrum“ (1986) in der Breidenbacherstraße hinten am Innenministerium ist ein Krieger, der vor seinem eigenen Abdruck in der Wand flieht.
Eine Welt mit tiefen Schrammen
Das Linke-Programm in Reinkultur wartet auf den Betrachter in Ingelheim am „Karlsbrunnen“ vor dem Kreishaus (1996): Der allgewaltige Frankenherrscher tritt ihm da klein und mit tiefen Schrammen entgegen. Und nicht nur, dass sein Mantel auf irritierende Art schrundig aussieht – der ganze Körper scheint in der Mitte gespalten und in Auflösung begriffen. Auffälligste Beigabe jedoch ist eine überdimensionale Scheibe, zu der sich die rechte Hand im wahrsten Sinne des Wortes ausgewachsen hat. Alles im Griff – das Weltenrund inklusive. Aber der Zahn der Zeit nagt unerbittlich an allem gleichzeitig: am Kaiser von Gottes Gnaden wie am tellerförmigen Universum, das er sich untertan gemacht hat.
Ein Vorbild für die Ingelheimer Figur steht als überlebensgroße Terrakotta-Plastik in Linkes Flonheimer Atelier: der an den Idealmenschen der Renaissance angelehnte „Mann im Kreis“. Auch hier diese Wucht des perspektivisch ins Riesenhafte verzerrten Arms, auch hier dieser überdimensionale Diskus. Und auch hier dieses dramatische Auseinanderbrechen, das alles erschüttert – Himmel, Materie und das Leben sowieso.
Es ist aber nicht nur die große Geste, der Linke sich verschrieben hat. Winzige Medaillen, kleine Modelle, Tischskulpturen gibt es von diesem unverwechselbaren Bildhauer genauso. Und: Er ist einer der besten Porträtisten weit und breit. Seit ihn vor dreieinhalb Jahren ein Gartenunfall in den Rollstuhl drückte, ist die kleine Form in den Mittelpunkt seines Schaffens gerückt. Die „Rheinhessenköpfe“ von Ludwig Bamberger über Anna Seghers bis Isaak Maus waren sein künstlerischer Beitrag zum 200-Jahr-Jubiläum. Linkes Gesamtwerk, in Wort und Bild verzeichnet, füllt längst drei dicke Bände. Und es wächst weiterhin.