Von Frank Schmidt-WykMAINZ - Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen: Die Klage des Osnabrücker Muslims Erhan Toka gegen Dieter Nuhr wegen angeblicher Verunglimpfung des Islams hat wenig Aussicht auf Erfolg. Sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Freiheit der Kunst, beide fest verankert in Artikel 5 des Grundgesetzes, sind so fundamentale Rechtsgüter in diesem Land, dass es mehr bedarf als den Spott eines Kabarettisten, um sie auszuhebeln.
„Wenn man nicht wüsste, dass der Koran Gottes Wort ist, könnte man meinen, ein Mann habe ihn geschrieben.“ Oder: „Der Islam ist nur dort tolerant, wo er nicht an der Macht ist.“ In solchen Sätzen dürfte die zuständige Staatsanwaltschaft keine unzulässige Hetze sehen, sondern allenfalls scharfzüngige Kritik, die sich auch muslimische Mitbürger durchaus gefallen lassen müssen. Zumal die Staatsanwaltschaften noch vor wenigen Wochen während des Gaza-Konflikts selbst an den wesentlich drastischeren Parolen antijüdischer Demonstranten arabischer Herkunft nichts zu mokieren hatten.
Wie weit darf Satire gehen?
Wie weit darf Satire gehen? Um diese Frage geht es nur vordergründig. So weit, wie Nuhr sich vorgewagt hat, allemal. In Wahrheit zeigt die Aufregung um die Klage etwas ganz anderes: Mit welcher Anmaßung Vertreter islamischer Glaubensgemeinschaften immer wieder das Recht für sich beanspruchen, auch unbequeme Stimmen zu unterdrücken, die nicht in islamischen Ländern, sondern in westlichen Demokratien aufkommen.
Zu Recht beklagte sich Nuhr in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“, viele Kollegen ließen es angesichts der islamischen Einschüchterungstaktik und aus falsch verstandener Political Correctness an der Bereitschaft vermissen, von der hart erkämpften Meinungsfreiheit Gebrauch und gegen militante Islamisten Front zu machen. Ein Vorwurf, der aber nicht auf die Kabaretthochburg Mainz gemünzt sein kann, wie die am Montag von dieser Zeitung abgefragten Reaktionen prominenter Kollegen Nuhrs deutlich zeigen.
Bonnewitz: Nuhr "loben und bewundern"
Dieter Nuhr habe bloß „ironisch und satirisch vor den Gefahren durch radikale Islamisten“ gewarnt, dafür sei er „zu loben und zu bewundern“, sagt etwa Kabarettist und Fastnachtslegende Herbert Bonewitz. Er wünscht dem geschätzten Kollegen viel Solidarität und Unterstützung, nicht nur aus der Comedy-Szene, sondern „auch von allen unseren demokratischen Parteien.“
Sven Hieronymus ist der Meinung, dass Satire das Recht hat, sich auch über Religion lustig zu machen – das müssten auch Muslime aushalten.
„Jeder Gläubige, egal welcher Religion, muss es in einer säkularen und liberalen Gesellschaft aushalten können, dass sich ein Andersdenkender kritisch oder satirisch mit seinem Welt- und Gottesbild auseinandersetzt“, konstatiert Comedian Tobias Mann. Das Rechtssystem dazu zu benutzen, „einen Kabarettisten mundtot zu machen“, findet er bedenklich. In einem Punkt widerspricht Mann seinem Kollegen Dieter Nuhr: „Ich habe nicht den Eindruck, dass es im Kabarett generell eine Zurückhaltung in Sachen Islam gibt.“ Für ihn selbst gebe es keine Tabus auf der Bühne, Islamismus und IS-Terror seien durchaus Themen, die auch er selbst aktuell aufgreife.
"Wir Kabarettisten müssen mutig sein"
Ähnlich sieht das auch Musik-Kabarettist Lars Reichow: „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das deutsche Kabarett sich da einmischt, wo die Politik schweigt oder sich hinter schwülstigen Sätzen verschanzt. Wir Kabarettisten müssen mutig sein, wer soll es denn sonst machen?“ Dieter Nuhr wegen seiner Islamkritik zu verklagen sei „fast so peinlich, wie der Wiesbadener, der Helmut Schmidt mal angezeigt hat wegen dessen Raucherei“. Persönlich fühle er sich von Nuhrs Kollegenschelte nicht angesprochen, versichert Reichow, schließlich widme er sich in seinem neuen Programm auch dem Islam. Er wisse aber, wie Nuhrs Kritik gemeint und an wen sie adressiert sei: „Dieter hat sich jahrelang von den Kabarettisten anhören müssen, wie seicht er vor sich hin plaudert. Und jetzt ist er die Speerspitze des deutschen Kabaretts. Das ist schon witzig.“
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