Von Julia AndertonEs ist weg! Das Testament des stinkreichen und frisch verstorbenen Erbonkels, das alle finanziellen Sorgen ein für alle Mal beenden würde, ist tatsächlich verschwunden! Nur 60 Minuten bleiben, um es zu finden – dann ist das Spiel aus. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die Szenerie haben Grischa Kerstan und Shaun Shrubsall in Wiesbaden kreiert.
Traditionell überraschen sie einander zu Weihnachten mit Rätselaufgaben; zum Geburtstag wurde Shrubsall sogar von seinem Kumpel „entführt“ und konnte sein Kellerverlies erst nach zwei Stunden verlassen, als er die hierfür notwendigen Hinweise erfolgreich kombiniert hatte. Mit Folgen: Seit 2014 bieten sie mit ihrer Firma TIXS zwei so genannte Escape Rooms in der Wiesbadener Innenstadt an, in denen Teams zwischen zwei und fünf Personen eine Stunde Zeit haben, in einen Themenraum eingeschlossen das Rätsel zu lösen, das ihnen die Tür öffnet: entweder die des Erbonkel-Zimmers oder die eines Ufos, das bei den Abrissarbeiten der Rhein-Main-Hallen zutage gefördert wurde.
- ESCAPE ROOMS IN DER REGION
Escape Rooms liegen im Trend. Entsprechend kommen immer wieder neue Anbieter hinzu. Eine Auswahl aus der Region:
Exit Experience: Dammweg 7a , 55130 Mainz sowie In der Dalheimer Wiese 20, 55120 Mainz. Tel.: 0152-36377778, www.exit-experience.de.
TIXS: Luisenstraße 8, 65185 Wiesbaden. Tel.: 0611-34179357
Escape Room Darmstadt (LaserTag Darmstadt): Rheinstraße 101, 64295 Darmstadt. Tel.: 06151-8008666
- Weiterführende Links
Nicht jeder Gruppe gelingt die Flucht
Teenager nehmen diese Herausforderung ebenso an wie Junggesellenabschiedsfeiergruppen oder Firmenkunden. Ein dritter Raum ist bereits in Planung, ebenso ein „Rätselraum“. „Wir denken, dass der Impuls zu spielen tief in uns allen sitzt. Bedauerlicherweise neigen wir aber mit zunehmenden Alter dazu, diesem immer weniger Zeit in unserem Leben einzuräumen“, sagt Shrubsall.
Escape Rooms böten durch die Möglichkeit, in einer geselligen Umgebung mit Freunden oder Kollegen und nicht allein zu Hause auf einem PC zu spielen, ein geeignetes Gegengewicht. Der Kreativität bei Raum- und Rätselgestaltung sind dabei kaum Grenzen gesetzt, wie die Themenräume der zahlreichen Anbieter im Rhein-Main-Gebiet zeigen – allein in Frankfurt gibt es inzwischen deren acht.
Auf der anderen Rheinseite stehen bei „Exit Experience“ in Mainz gleich sechs Räume zur Wahl. Mal bedeutet die knifflige Suche nach dem verschollenen Sherlock Holmes ein riskantes Wagnis, dann müssen brisante Dokumente aus dem Arbeitszimmer des großen Gatsby entwendet werden. Alternativ steht die Flucht aus einem Atombunker oder einer unheimlichen Psychiatrie an. Wer ein Süßwaren-Imperium erben will, muss knallhart tüfteln und im frisch eröffneten Houdini-Raum gilt es, aus einem magischen Menschenkäfig zu entkommen. „Wir haben jeden einzelnen Raum selbst konzipiert, gebaut und programmiert. Unsere Räume sind sehr detailliert und entsprechen von der Einrichtung bis hin zur Story zu hundert Prozent der jeweiligen Epoche“, unterstreicht Geschäftsführer Julien Sotir.
In Mainz gibt es viele Wiederholungstäter, die alle sechs Räume spielen. Allerdings gelingt nicht jedem Team der Abschluss der Mission, wenngleich Gamemaster die Spiele per Kamera überwachen und das Geschehen in den Räumen bei Bedarf mit Tipps via Mikrofon voranbringen.
Niemand ist Verlierer,schlauer oder besser
Mehr Unterstützung gibt es nicht, denn ein unehrlicher Sieg würde nur den Ehrgeiz trüben. „Ein Escape Game verbindet Menschen und vermittelt spielerisch das Gefühl, ein wichtiger Teil des Ganzen zu sein. In einem Escape Game ist niemand der Verlierer, niemand schlauer oder besser, sondern bildet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Spieldynamik“, erklärt Sotier den Erfolg des Phänomens.
Die ersten Room Escape-Spiele wurden Ende der Achtzigerjahre virtuell angeboten. In Asien erlebte das Erlebnis als Gruppenspiel, das Teamfähigkeit, Geduld, Geschick und logisches Denken erfordert, seine Übertragung in die reale Welt und entwickelte sich in den vergangenen Jahren zum internationalen Trend. Auch Dennis Eisenacher von Room Escape Frankfurt kennt die ursprüngliche Machart durch Online-Spiele, er hegt von Kindesbeinen an ein persönliches Faible für Problemlösung. „Sei es ein Kreuzworträtsel oder ein mathematisches Problem. Das Gefühl, etwas zu gelöst zu haben, was am Anfang unlösbar erscheint, ist für mich eins der besten Gefühle.“ Als Mitarbeiter im Evangelischen Jugendwerk Hessen setzte er auf Freizeiten häufig eigene Spielideen für Kinder um und so rannte sein Partner Linus Willers offene Türen ein, als er den Aufbau realer Escape Rooms in der Main-Metropole vorschlug. Ihre vier Themenräume bei „Room Escape Frankfurt“ haben die Zwei von der Idee bis zum Umbau selbst entwickelt. Die Teilnehmer haben die Wahl, aus einer Kunstgalerie oder einem scheinbar unauffälligen, jedoch durch diverse Codes und Schlüssel gesicherten Raum auszubrechen. Als Forschergruppe in einem U-Boot fällt die Sauerstoffversorgung aus und im gruseligen Neuzugang „The Hostel“ gilt es, sich aus den Fängen eines irren Serienmörders zu befreien. Offenbar macht der gemeinsam gefühlte Aha-Effekt süchtig, wenn per Geistesblitz ein Rätsel gelöst wird, an dem sich die Gruppe schon minutenlang die Zähne ausbeißt. „Escape Rooms machen Spaß; das sieht man auch an den zahlreichen Apps, aber diese lassen sich nur alleine spielen. Bei einem realen Escape Room kann man sich mit Freunden austauschen“, erklärt Dennis Eisenacher.
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