Das ging gleich zu Anfang los, als sie den Fans eindrücklich ihren Dank aussprachen. Schröder betonte, es sei einmalig im Profisport, dass sich Verantwortliche in einer solchen Situation dem Dialog stellten. Hofmann erinnerte daran, die Themen Identifikation und Zusammenhalt waren auch in den Reden zu seiner Wahl zentral. Generell ging vom Podium ein Vibe aus, der signalisierte: „Wir haben verstanden.“ In diesem Sinne wurde auch geliefert.
„Wir wollen den Karren gemeinsam aus dem Dreck ziehen“, betonte Hofmann und erklärte, ihm sei vor der Wahl bereits klar gewesen, die Situation ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Es gehe aber nur voran, wenn alle an einem Strang ziehen, das wurden die Vier nicht müde zu betonen. Man könnte ihnen das als Floskel auslegen, klangvoll wie das so gerne bemühte geMAINZam der letzten Jahre. Aber das würde ihnen und dem Abend nicht gerecht, denn der war gekennzeichnet von gutem Willen und intensivem Bemühen darum, die Sicht der Fans aufzunehmen – und denen wiederum eigene Beweggründe verständlich zu machen.
Der Dialog in Auszügen:
zu den Transfers:
Schröder: Sein besonderer Dank gilt Sandro. Welcher Trainer stellt sich in einer solchen Situation den Fans? Transfers: Verlust Karius, Baumgartlinger als Führungsspieler wog schwer in der Vorsaison. Einer, der diese Rolle nun füllen sollte, war Adler: Verletzungspech. Von Frei, Bell und Bungert hatte man sich erhofft, dass sie da reinwachsen. Auch da teilweise viel Pech. Diallo mit guter Perspektive. Im Winter: de Jong als möglichen Führungsspieler geholt.
zur Mentalität:
Fan: Man hat doch schon gesehen, dass die Jungs können. Es liegt als daran, dass es derzeit klemmt. Gibt es für die Spieler ein psychologisches Angebot?
Schwarz: Es gibt Psychologen, speziell aus dem NLZ. Er weiß aber auch aus seiner aktiven Karriere, man kann Spieler nicht zwingen, das anzunehmen. Aber sie geben alle denkbaren Hilfestellungen, um mit dem Druck umzugehen.
zur Trainerposition:
Fan: Gab’s die Überlegung, Schwarz nach der zweiten Pleite gegen Frankfurt auszutauschen? Wie soll es gelingen, die Spieler jetzt zu erreichen, wenn es zuletzt nicht geklappt hat?
Schröder: Es gibt keine Nibelungentreue. Wir hassen nichts mehr, als hier zu sitzen und in die unzufriedenen Gesichter zu schauen. Wir wollen alle. Wir arbeiten hart für unser Ziel 1. Liga. Wenn einer das Gefühl hat, nichts mehr bewegen zu können, dauert es eine Sekunde, dann ist er weg. Aber man muss abwägen: Was würde ein neuer Trainer bringen? Wollen die Spieler den Neuanfang? Sie sind zu 100% von der Zusammenarbeit mit Sandro überzeugt.
zur weiteren Arbeit mit dem Team:
Schwarz: Die Spieler sollen verpflichtet werden. Er ist bewusst mal über die Öffentlichkeit scharf geworden zuletzt. „Aber bitte glaubt nicht, dass es intern bisher keine Schärfe gab.“ Für sie ist die Länderspielpause wichtig: Neustart. „Wollen mindestens 15. werden.“ Kritik ist völlig okay. Alle sollen spüren, dass es um den Club geht, sie sich den Arsch aufreißen. Sie brauchen auch den Anspruch der Fans, keine Frage. Aber dabei bitte nicht vergessen: „Wer wir sind. Zur Grundstimmung, zu der Gemeinsamkeit, zurückkehren. Lasst euch nicht anstecken von dieser Negativspirale. Wir müssen nicht immer nur darüber reden, was nicht stimmt.“ Stadion war nicht voll, Wurst schmeckt nicht – das geht anderen Vereinen genauso. „Zusammenfassend: Ich wünsche mir, dass wir uns nicht von der negativen Stimmung anstecken lassen, sondern weiter vorangehen.“ – Nicht vergessen: Vier andere Clubs sind in derselben Situation, zwei davon stehen aktuell hinter uns.
zu Sandros (fehlender) Emotionalität:
Fan: Kritik an Sandros mangelnder Emotionalität.
Schwarz: „Ich kann das nicht mehr hören. Man kann mir alles vorwerfen, dass ich nicht genug Spiele gewinne, was sonst nicht stimmt. Aber ich und nicht emotional? Komm zu mir nach Hause, frag meine Frau. Die dreht durch.“ – Langanhaltender, tosender Applaus.
zum Bruch mit Fans durch Hoffenheim und den offenen Brief:
Fan: Thema Hoffenheim, Thema offener Brief an die Fans: Wie kann sowas sein, dass man das Gefühl hat, als Fan den Mund verboten zu bekommen?
Schröder: Das würden wir in der Nachbetrachtung sicher anders machen. Sowas muss man aufarbeiten. Intern, aber auch hier miteinander. Da lernen wir alle dazu. – Für ihn ist es ganz wichtig, Dinge offen anzusprechen. Dafür sitzen sie hier.
zur Rollenverteilung der Verantwortlichen:
Fan: Heidel hat öfter mal die Kabine zum Beben gebracht. Schröder nicht – wieso?
Schröder: Es gibt klare Ansagen. Man muss nicht alles der Presse erzählen. Der Trainer ist der Ansprechpartner fürs Team. Er unterstützt, aber die Spieler müssen wissen, ihr Trainer ist der Chef. Heidel war Moderator, hat aber immer den Trainer stark gemacht. Weil das wichtig ist.
zum Umbruch der letzten Jahre:
Schwarz: Es ist ja normal, dass gerade das Urvertrauen fehlt. Es ist eine neue Situation mit neuen Leuten. Aber die Botschaften ist: Wir müssen eine Stimmungslage erzeugen für den Abstiegskampf. „Nehmt das mit. Wir versuchen, die Dinge besser zu machen. Mit der Kraft, die in uns liegt, für diese letzten Spiele. So, wie wir’s vielleicht noch nie gemacht haben. Die Entscheidung liegt bei uns. Wir müssen uns die Bilder vorstellen, wie es wird, die Klasse zu halten im Mai. Wir müssen eine positive Stimmung erzeugen.“
Immer wieder betonten die vier Verantwortlichen zudem, dass die Wahrheit – drei Euro ins Phrasenschwein – auf dem Rasen liegt. Und damit haben sie Recht. Aber der Abstiegskampf wird nicht ausschließlich auf dem Platz entschieden. Und insofern war’s ein wichtiges Signal, einander zuzuhören und miteinander zu reden. Man kann zurecht festhalten, nicht alles, was sich in den letzten Jahren verhakt hat, flattert binnen weniger Stunden wieder frei im Wind. Aber man sollte bei der Beurteilung der momentanen Situation nicht vergessen: Die meisten der aktuellen Verantwortlichen sind immer noch relativ neu. Sie erspüren den Verein und die besondere Situation der Fans immer besser. Ihnen diese Zeit zu geben, egal, welche Umwege das nach sich ziehen mag, um am Ende wieder als Wir dazustehen, das ist es, was Mainz 05 letztlich immer ausgemacht hat. Und wieder ausmachen kann, wenn wir das wollen.
In diesem Sinne, Neuanfang nach der Länderspielpause, mit vereinten Kräften. #nurderFSV
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin
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