Von Mara Pfeiffer MAINZ - In jeder Sommerpause gibt es neben den Spielern, deren Abgang sich mehr oder weniger abgezeichnet hatte auch solche, die den Verein eher überraschend verlassen. Da kommt es schon mal vor, dass ein Akteur mit dem einen Verein ins Trainingslager fliegt und mit einem anderen von dort zurückkommt, nachdem er zwischenzeitlich einen Inlandsflug unternommen und einen Vertrag für die neue Wirkungsstätte unterzeichnet hat. So ist nun mal das Geschäft (zwei Euro ins Phrasenschwein), als Fan muss man das nicht mögen, kann aber auch herzlich wenig dagegen ausrichten. Bedauerlich ist an derlei Transaktionen vor allem, dass Fans wie Spieler um einen ordentlichen Abschied voneinander gebracht werden. Wer sich die Schuhe eine Weile unterm rot-weißen Dress geschnürt hat, war immerhin einer von uns und Wechsel dieser Art hinterlassen ein seltsames Gefühl: Als hätte man es verpasst, emotional irgendwie den Deckel auf die Geschichte zu machen. Der Abschied ist zwar mit Anstand vollzogen, aber die letzte Umarmung fehlt, und mit ihr auch die Gelegenheit, DANKE zu sagen für die gemeinsame Zeit, mit all ihren Höhen und Tiefen.
Mehr noch als sonst bei einem wechselwilligen Spieler, begleitet mich dieses seltsame Gefühl in den vergangenen Wochen im Bezug auf Martin Schmidt. Es war nun wirklich keine besondere Überraschung mehr, als Rouven Schröder nach der abgelaufenen Saison verkündete, man habe beschlossen, die Zusammenarbeit vorzeitig zu beenden. Und persönlich hielt und halte ich das nach der letzten Saison auch für eine folgerichtige Entscheidung. Der Verein Mainz 05 hat in einer ganz entscheidenden Phase, als die Trennung vom angeschlagenen Trainer wahrscheinlich schien, Schmidt den Rücken gestärkt, der hat gemeinsam mit der Mannschaft das Vertrauen zurückgezahlt und der Klassenerhalt wurde als Kollektiv gepackt. Lehren aus dieser Saison zu ziehen und Veränderungen herbeizuführen ist ein Langzeitprojekt, es mit einem Trainer zu beginnen, der nur noch für ein Jahr unter Vetrag steht, wäre Stückwerk gewesen. Ich vermute, so hat das bei allem Bedauern auch Martin Schmidt gesehen und so haben die Verantwortlichen gemeinsam ihre Konsequenzen aus der zurückliegenden Serie gezogen. So weit, so klug und, wie gesagt, wenig überraschend. Und doch fehlt nun der Deckel, der gemeinsame Abschluss.
Gemeinsame Feier statt Abschied
Klar, Martin Schmidt hat nach dem letzten Saisonspiel mit der fulminanten Aufholjagd gegen Eintracht Frankfurt im Stadion schon jede Menge Liebe erfahren. Und doch war das eben kein Abschied, sondern eine gemeinsame Feier, ausgelassen und erleichtert, über das gewonnene Spiel, über die (quasi) gehaltene Klasse, über den Erfolg der gemeinsamen Anstrengungen in den zurückliegenden Wochen. Es war der Moment, um sich miteinander zu freuen, aber nicht der Augenblick, um Danke zu sagen bei und Abschied zu nehmen von einem Mann, der unseren Herzensverein mit seiner ganz eigenen Art in den vergangenen Jahren stark geprägt hat. Der eigenwillig war und klar, der sich für niemanden verbogen hat, sondern immer sehr fokussiert seinen Weg gegangen ist, im Guten wie im Schlechten, und dabei stets bei sich geblieben. Einer, der eine Wohltat war für jene, denen Thomas Tuchel immer zu distanziert erschien, der zugleich ein wenig verschroben schien und herzensgut, gleichzeitig ganz genau am richtigen Ort und völlig aus seiner Welt gefallen. Einer, wie ihn der Profifußball nur ganz selten erlebt und der letztlich vermutlich nur ganz genau dort so wirken konnte, wie er es tat: hier bei uns in Mainz.
Die Vorbereitung auf die neue Saison und alles, was an Vorfreude und Aufregung darin steckt, neuer, altbekannter Trainer, spannende Transfers, Testspiele und Trainingslager sind bereits in vollem Gange und der ganze Verein scheint zu kribbeln und zu summen wie ein Bienenstock. Alles fühlt sich neu und aufregend an, alles scheint möglich und die Welt steht uns offen, damit wir sie fußballerisch mal wieder im Sturm erobern können. Das ist, speziell nach all der Unruhe, die sich durch die letzte Saison gezogen hat, ein Gefühl, wie wenn man morgens unbeschwert und heiter wachgeküsst wird: so schön. Das sollten und dürfen wir genießen.
Vielleicht sieht man sich noch einmal wieder
Dabei aber den Mann nicht vergessen, dem wir das eben auch zu verdanken haben: Martin Schmidt. In einer idealen Welt würde sich die Gelegenheit für ein riesengroßes Dankeschön noch mal ergeben, und da in Mainz immer mal wieder wundersame Dinge geschehen, wer weiß... Vielleicht sieht man sich noch einmal wieder und wir können die Gelegenheit dann nutzen. Einstweilen nutze ich sie zumindest hier, auch im Namen all jener Fans, denen dieser letzte Gruß seit Wochen auf der Zunge ruht: Danke, Martin Schmidt. Es war uns eine Ehre.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin
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