ZDF-STAATSVERTRAG Fernsehratsvorsitzender Ruprecht Polenz sieht „Anti-Parteien-Reflex“ / Grünen-Politikerin Tabea Rößner kritisiert „Selbstbedienungsmentalität“
MAINZ - (Fre). Auf Nachfrage bricht sich doch noch kräftiger Unwille Bahn. In der Pressekonferenz im Anschluss an die gestrige Sitzung des ZDF-Fernsehrats in Mainz gibt es zunächst nämlich weder vom anwesenden ZDF-Intendanten Thomas Bellut noch vom Fernsehratsvorsitzenden Ruprecht Polenz (CDU) einen Kommentar zum neuen ZDF-Staatsvertrag, den die Bundesländer am Vortag in Berlin ausgehandelt haben (wir berichteten). Am Ende bekennt Polenz aber unumwunden seine „Schwierigkeiten“ mit einem Kernpunkt der Vereinbarung.
Alles andere wäre auch erstaunlich gewesen. Der Beschluss der Bundesländer, angeschoben durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, hat schließlich weitreichende Folgen gerade für den Fernsehrat: Das Gremium wird ab 2016 von 77 auf 60 Sitze reduziert. Und die politischen Parteien, bisher mit 34 Vertretern die stärkste Gruppe, sollen künftig mit 20 Sitzen gerade noch ein Drittel ausmachen.
Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und seiner Gremien, lautete die vom Verfassungsgericht vorgegebene Devise – und dem haben die Ministerpräsidenten in Berlin entsprochen. Polenz jedoch erhebt Einspruch, stößt sich vor allem daran, dass die politischen Parteien bei der Zusammensetzung des Fernsehrats künftig überhaupt nicht mehr als „gesellschaftliche Gruppe“ definiert würden. Der in der Bevölkerung weitverbreitete „Anti-Parteien-Reflex“, so Polenz, werde auf diese Weise nur weiter befördert und verstärkt.
Aber auch außerhalb des Fernsehrats wird Kritik laut. Die Mainzer Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner, die die Klage in Karlsruhe mit auf den Weg gebracht hatte, unterstellt den Ministerpräsidenten „Selbstbedienungsmentalität“ bei dem von ihnen auf den Weg gebrachten Vertragsentwurf. Da nämlich die Plätze der staatlichen Vertreter nur noch von den „Regierungsparteien der Bundesländer“ eingenommen würden, sei der Fernsehrat künftig fast ausschließlich die Domäne von CDU und SPD. Staatsferne, so Tabea Rößner, sehe für sie anders aus.
Zustimmung zum Entwurf kommt, wen wundert‘s, aus der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. „Die ausgewählten Verbände und Institutionen im Fernsehrat“, so Malu Dreyer, böten die „Gewähr für eine plurale und angemessene Zusammensetzung“.
Ein ganz anderes Problem allerdings hat die Ministerpräsidentin damit noch nicht vom Tisch: Im ZDF-Verwaltungsrat, der über die Finanzen der Fernsehanstalt wacht, führt immer noch ihr Amtsvorgänger Kurt Beck den Vorsitz. Und dessen Amtszeit endet regulär erst 2016.
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