Von Kirsten StrasserOPPENHEIM - „Unheldbar“ steht auf einem der Transparente, und auf einem anderen: „Rücktritt jetzt“. Es ist kurz nach vier an diesem trüben Montagnachmittag, und so langsam füllt sich der Marktplatz mit Menschen. Sie sind gekommen, um für den Rücktritt des Oppenheimer Stadtbürgermeisters Marcus Held (SPD) zu demonstrieren. „Das ist doch alles kein Zustand hier“, sagt Demo-Teilnehmer Markus Mahlerwein, und die Umstehenden nicken zustimmend. „Wer so viel Dreck am Stecken hat, der kann ein solches Amt nicht bekleiden.“
Ein paar Minuten vor Veranstaltungsbeginn sieht es noch so aus, als ob die Chose ein Reinfall würde. Lediglich am Rand stehen ein paar Grüppchen, die meisten sind Medienleute: Fernsehen, Radio, Zeitung, alles vertreten. Etwas verloren und alleine steht Organisator Axel Dahlem, Oppenheimer Winzer und Familienvater, auf der Mitte des Platzes – doch das bleibt nicht lange so. „Gut, dass sich das einer mal traut. Danke“, sagt ein Mann und tätschelt Dahlem zustimmend die Schulter. Und am Ende sind es rund 80 Demonstrationsteilnehmer, davon viele „normale“ Bürger ohne Parteizugehörigkeit oder Ämter, die sich vorm Rathaus versammeln.
Darunter auch Dr. Volkhart Rudert. 79 Jahre alt musste er werden, um zum ersten Mal in seinem Leben auf eine Demo zu gehen. Aber der „ungeheure Filz“, der in Oppenheim herrsche, habe ihn auf die Straße getrieben. „Ich hoffe einfach, dass dadurch die SPD auf höherer Ebene mal merkt, was hier los ist“, sagt Rudert. „Wohlgemerkt: Ich habe nichts gegen die SPD, wohl aber gegen Leute, die sich selbst bedienen und selbst bereichern. Und dazu kommt, dass er unser Geld ausgibt.“
Held zeigt sich nicht
„Er“ – das ist Marcus Held, gegen den sich die Veranstaltung richtet, und das in unmittelbarer Nähe seines Amtssitzes. Weder Held noch andere Vertreter der Stadtspitze lassen sich an diesem Nachmittag vorm Rathaus blicken. Trotzdem spricht Axel Dahlem, der schließlich eine kurze Rede hält, Held direkt an: „Beweisen Sie Charakter und treten Sie zurück, als Stadtbürgermeister und am besten auch von allen anderen politischen Ämtern“, fordert Dahlem und erhält dafür viel Beifall. „Der Landesrechnungshof hat schonungslos aufgezeigt, dass Sie, Herr Held, eine eigenmächtige und selbstherrliche Politik betrieben haben auf Kosten der Stadtkasse, der Steuerzahler und zukünftiger Generationen.“
Held betreibe, so Dahlem, „eine Politik, die darauf abgestimmt ist, das eigene Umfeld zu bevorzugen und somit auch eine Spaltung der Gesellschaft zu erreichen“. Doch jetzt sei die „Politik des Täuschens, des Bevorzugens einzelner, des Spaltens, des Lugs und Trugs“ am Ende, verspricht der Organisator: „Uns Oppenheimer Bürger werden Sie nicht mehr los.“
Mit der Resonanz auf seinen Aufruf zur Demo – übrigens die zweite, die er je besucht, und die erste, die er veranstaltet hat – ist Axel Dahlem zufrieden. „Ich will damit einen Stein ins Rollen bringen und freue mich, wenn die Leute zusammen- und ins Gespräch kommen“, sagt er. Ihm sei es wichtig, die Proteststimmung gegen Held „aus dem Internet ins richtige Leben“ zu bringen. Mit einem baldigen Rücktritt des Politikers rechnet er übrigens nicht, „aber zur Not wird es weitere Demos geben“.
Müssen "Demokratie wieder lernen"
Auch ganz junge Leute sind da. Jonatan etwa, der geholfen hat, ein Laken aufzuhängen, auf dem steht: „Du bist nicht länger unser Held, gib zurück das Oppenheimer Geld.“ Ein wenig holprig vielleicht, aber schließlich kommt es auf die Botschaft an, findet der 15-Jährige, der die Vorgänge in seiner Stadt mit Interesse verfolgt. „Ich mag es einfach nicht, wenn man Fehler nicht zugibt. Und das in Oppenheim was falsch gelaufen ist, ist ja wohl klar.“
Franz-Josef Kolb wird noch deutlicher. „Ich glaube, dass wir in Oppenheim Demokratie wieder lernen müssen“, sagt er. „Das beginnt hier im Kleinen, es ist ein Anfang. Und ein Lehrstück.“ Dabei gehe es nicht um Parteipolitik oder darum, der CDU ins Amt zu verhelfen. „Oppenheim hatte immer eine sozialdemokratische Prägung, das ist auch okay. Aber das Ganze hat sich in einer Weise verselbstständigt, die nicht mehr geduldet werden darf. Das Gemeinwesen funktioniert nicht mehr.“
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