Von Michael BermeitingerMAINZ - Mehr als fünf Stunden hielten am Samstagnachmittag 14 herrenlose Koffer Polizei, Bahnreisende und Autofahrer in Atem. Als zunächst zwei, dann aber rasch immer mehr der Gepäckstücke am Bahnhof-Parkplatz gefunden wurden, sperrte die Bundespolizei die Zufahrt West, im Bahnhof die Gleise 4-8 sowie die Hochtangente der Mombacher Straße. Doch die herbeigerufenen Spezialisten vom Landeskriminalamt stießen auf eine Überraschung - es fanden sich keine Spuren von Sprengstoff, dafür Zigaretten ohne Ende. Weil aber jeder der Koffer gleich exakt untersucht werden musste, dauerte die Sperrung bis gegen 18 Uhr.
Kurz nach 12.30 Uhr hatten aufmerksame Passanten an einem Stützpfeiler der Hochbrücke am Hauptbahnhof West zwei einsame Koffer entdeckt und diese der Bundespolizei gemeldet. Die suchte auch per Lautsprecherdurchsage nach dem Besitzer, doch der meldete sich nicht, aber bald fanden sich immer mehr Koffer. Wie die ersten beiden Koffer standen die neue Fundstücke auch an Pfeilern - bis schließlich 14 herrenlose Gepäckstücke zusammen waren.
Verspätungen und Zugausfälle
Da hatten Bundespolizei und Mainzer Polizei aber wie beim Fund herrenloser Koffer üblich schon die weiträumige Sperrung ausgelöst. Rot-weiße Flatterbänder spannten sich vom Geländer der Alicenbrücke bis zur Einmündung Wallstraße und an ihr entlang bis zur Treppe zum Westeingang, aber auch mitten durch den Bahnhof. Zahlreiche Geschäfte in der Passage über den Gleisen mussten schließen, vor allem aber war der Bahnverkehr betroffen. Von den Durchgangsgleisen waren nur noch die Gleise 1-3 erreichbar, die Bahn musste also den Zugverkehr, der sonst auf sieben Gleisen läuft, auf drei Schienensträngen bündeln und auch das Stumpfgleis 11 an der Nordsperre nutzen.
Das führte natürlich zu Verspätungen, aber auch zu Zugausfällen. Doch insgesamt blieben die Behinderungen im Rahmen. Auch die Stimmung bei den Reisenden schien nicht sonderlich aufgeregt zu sein, zumal man an den Flatterbändern und dem Infoschalter von Bahn und Bundespolizei gut informiert wurde. Auch am Zugang West zeigten die meisten Menschen, für die die Sperrung ein Umweg bedeutete, Verständnis. Nur ein Autofahrer, der nicht mehr an seinen geparkten Wagen kam, zeigte sich am Flatterband unwirsch, und auch Polizeisprecher Rinaldo Roberto bekam von diesem unangenehmen Zeitgenossen Einiges ab - und das ist noch zurückhaltend formuliert.
Ferngesteuerter Roboter im Einsatz
Nachdem erst Hunde die Koffer beschnüffelt hatten, traf auch das Entschärfungskommando des LKA ein, dessen Mitarbeiter aus der Freizeit geholt wurden. Die Spezialisten setzten ihren ferngesteuerten Roboter ein, der jeden einzelnen Koffer röntgte. Schon beim ersten die große Überraschung: Kein Sprengstoff, sondern Zigaretten-Stangen, ein ganzer Koffer voller illegaler Ware. Und beim zweiten war es genauso, beim dritten und so weiter.
Die Sperrung konnte dennoch nicht aufgehoben werden, bis auch das letzte Gepäckstück akkurat überprüft worden war. Doch nach der Bundespolizei, der Mainzer Polizei und dem Landeskriminalamt kam wegen der Zigaretten auch der Zoll zum Zuge. Die Beamten untersuchten die Koffer, nahmen die Stangen unter die Lupe und ermitteln nun. Das Zollfahndungsamt Frankfurt wollte sich aber noch nicht äußern, um welche Mengen und welche Marken mit welchem Wert und welcher Herkunft es sich handelt.
Als auch beim letzten Koffer klar war, dass kein Sprengstoff im Spiel ist, wurden erst die Bahnhofsgleise und die Hochstraße, wenige Minuten später auch die Zufahrt West freigegeben.
Ob die Koffer-Transporteure per Bahn angereist waren, per Fernbus oder mit einem Transporter, um hier die heiße Fracht zu übergeben, weiß man noch nicht. Es ist auch nicht besonders auffällig, wenn jemand am Bahnhof mit Koffern unterwegs ist. Erst wenn man das Gepäck einsam stehen lässt, fällt es sehr schnell auf.
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