Von Carina SchmidtMOMBACH - Die Bürgerinitiative „Kein Klärschlamm für Mombach“ lässt nicht locker. Nachdem im Dezember die Klage von Nachbarn gegen den Bau vom Oberverwaltungsgericht in Koblenz abgelehnt wurde, kündigte der Wirtschaftsbetrieb an, mit dem Bau Ende 2017 beginnen zu wollen. Damit möchte sich die BI aber nicht abfinden. Die Nachricht vom drohenden Dieselfahrverbot (die AZ berichtete mehrfach) hat die Mitglieder aufhorchen lassen, die sich nun auf das Thema Stickstoffdioxide konzentrieren. Denn genau die werden auch von der Klärschlammverbrennungsanlage produziert.
Ralf Gerz und Hans Pracht haben gerechnet. Demnach plane die Stadt eine Klärschlammverbrennungsanlage, die gemäß Genehmigungsbescheid im Jahresmittel 100 Milligramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter Abgas, kurzzeitig sogar 400 Milligramm je Kubikmeter Abgas in die Luft pusten dürfe. Da die Anlage jedoch circa 28 000 Kubikmeter Abgas je Stunde erzeugte, gelangt also im Schnitt 2,8 Millionen Milligramm Stickoxide stündlich in die Luft. „Das ist so viel wie 1500 Dieselfahrzeuge der Euro-Norm 5 mit einer Fahrstrecke von zehn Kilometern erzeugen“, sagen Gerz und Pracht.
- DIE GESETZESLAGE
Die neue Düngemittelverordnung befindet sich in der Genehmigungsphase und sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2019 Klärschlämme, die mit synthetischen Polymeren, also ölhaltigen Flockungshilfsmitteln, behandelt worden sind, nur noch in begrenzter Menge in der Landwirtschaft verwendet werden dürfen. Jener Zusatz wird dazu verwendet, den flüssigen Klärschlamm soweit zu entwässern, dass er transportfähig ist.
Noch schärfer greift die Gesetzeslage ab 2029: Dann wird die Klärschlammdüngung für Kläranlagen mit einem Anschlusswert von über 100 000 Einwohnerwerten (Bevölkerung und Gewerbe) ganz verboten sein. Das Gleiche gilt dann ab 2032 für Kläranlagen mit einem Anschlusswert über 50 000 Einwohnerwerten. Zum Vergleich: Die Kläranlage in Mainz hat einen Anschlusswert von 400 000 Einwohnerwerten. Denn neben den „guten“ Rohstoffen sind darin auch Schadstoffe enthalten, die das Grundwasser verunreinigen und über die Pflanzen in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen.
In Deutschland werden derzeit noch rund 30 Prozent der anfallenden Klärschlämme landwirtschaftlich verwertet, in Rheinland-Pfalz sind es sogar 67 Prozent. Allein 2013 landeten in Rheinland-Pfalz noch rund 55 000 Tonnen auf dem Acker. Der Mainzer Klärschlamm (jährlich 6000 Tonnen) wird schon seit über 20 Jahren zu 100 Prozent in Anlagen bei Hanau, Aachen und Köln verbrannt. Eines wird jedoch immer deutlicher. Auf Dauer reichen die Kapazitäten der bundesweit vorhandenen Verbrennungsanlagen nicht mehr aus.
Michael Paulus vom Vorstand des Wirtschaftsbetriebs rückt die Zahlen in ein anderes Licht. Denn was Pracht und seine Kollegen nicht berücksichtigen würden, das sei der Unterschied zwischen der sogenannten Emission und Immission. „Bei der Emission handelt es sich um den Ausstoß von Stickstoffdioxid, der die Luft direkt am Schornstein verunreinigt“, führt Paulus aus. „Die Immission ist die Einwirkung von Verunreinigungen der Luft auf den Menschen, also das, was bei ihm ankommt.“ Und diese Zahl sei der eigentlich relevante Wert.
Herbert Hochgürtel, Abteilungsleiter Abwasserreinigung und Netzeinrichtung, nimmt die Parcusstraße als Beispiel – eine der turbulentesten Mainzer Verkehrsdrehscheiben mit hoher Luftverschmutzung. Hier fahren laut Messungen täglich rund 23 000 Fahrzeuge entlang, was einem Immissionswert von 56 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter entspricht. Durch die Klärschlammverbrennungsanlage würde die Belastung um 0,015 Mikrogramm pro Kubikmeter steigen, also 0,03 Prozent. „Das entspricht zehn weiteren Fahrzeugen“, so Hochgürtel.
Erwartet werden maximal 30 Milligramm je Kubikmeter
Paulus macht aber auch deutlich, dass der von der BI aufgeführte Jahresmittelwert von 100 Milligramm je Kubikmeter Abgas zwar im Genehmigungsbescheid stehe, allerdings habe der Wirtschaftsbetrieb nicht vor, diesen auszureizen. „Wir erwarten maximal 30 Milligramm. Denn das ist auch der Wert, den vergleichbare Anlagen ausstoßen, beispielsweise in Zürich“, führt er aus. Der geplante Bau in Mombach sei aber dann aber eine der modernsten Anlagen. Städte wie Frankfurt, Offenbach, Köln und München würden derzeit mit dem Mainzer Model liebäugeln.
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