Von Carina SchmidtMAINZ - Udo Beck breitet beim Treffen mit Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) in deren Büro auf dem Teppichboden zwei Karten aus. Die eine stammt aus dem Jahr 1992, die andere aus 2015. Auf beiden sind Radwege, Fußgängerzonen und Tempo 30-Zonen eingezeichnet. Der Leiter der Straßenverkehrsbehörde und seine Chefin vergleichen die Karten und stellen fest: Es gibt kaum Unterschiede. Bereits 1992 galt auf 90 Prozent der Mainzer Straßen – mit Ausnahme der Verkehrsachsen – ein Tempo 30-Limit.
Eder macht keinen Hehl daraus, dass sie für die Ausweitung von Tempo 30 ist. Allerdings nicht flächendeckend, sondern dort, wo es Sinn macht. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Durch die Geschwindigkeitsbegrenzung gibt es weniger Lärm, mehr Sicherheit und einen stetigeren Verkehrsfluss“, zählt sie als Argumente auf. In ihre Amtszeit fallen elf Projekte (siehe Infokasten).
Künftig einfacher Tempo 30 einführen
Mit einer bundesweiten Gesetzesänderung bekommt die Grünen-Politikerin für ihre Haltung nun ausgerechnet von einem CSU-Politiker Rückendeckung – in Mainz erntet sie nämlich vor allen Dingen aus CDU- und FDP-Kreisen, aber auch von der SPD Kritik. Mitte Februar kündigte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrinth Änderungen der Straßenverkehrsordnung an (die AZ berichtete). Demnach sollen Kommunen künftig einfacher Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen einführen können.
Bislang galt die strenge Auflage, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nur da angeordnet werden durfte, wo „besondere Umstände zwingend geboten sind“. „Neu ist, dass nun in sensiblen Bereichen mit besonders schützenswerten Verkehrsteilnehmern Tempo 30 eingeführt werden kann“, erklärt Beck. Gemeint sind Schulen, Kindergärten, Alten- und Pflegeheime oder Krankenhäuser.
In Mainz ist das bei 18 von 22 Schulen schon der Fall, berichtet Verkehrsdezernentin Eder: „Vor allen Grundschulen gilt Tempo 30 oder sie liegen in verkehrsberuhigten Bereichen – mit Ausnahme der Martinusschule Weißliliengasse.“ Hier gebe es aber die Überlegung, eine Geschwindigkeitsreduzierung einzuführen.
Nicht zwangsläufig Handlungsbedarf
Bei den Gymnasien gibt es nur noch vor dem Gutenberg-Gymnasium (An der Philippsschanze) und dem Otto-Schott-Gymnasium (An der Bruchspitze) Tempo 50 – beide Schulen könnten aber von hinten angefahren werden, so dass eine Reduzierung auf 30 Stundenkilometer keinen Sinn mache. Da die Peter-Jordan-Schule (An der Bruchspitze) Ende des Jahres in den Neubau neben der Gonsenheimer Gleisberg-Grundschule umzieht, bestehe auch hier keine Notwendigkeit mehr.
Ähnlich sieht es bei den 120 Kindertagesstätten in Mainz aus: Sie liegen fast alle innerhalb von Tempo 30-Zonen. Eine genaue Übersicht dazu gebe es nicht, sagt Beck: „Spontan fallen mir die Kindertagesstätten in der Goethestraße ein, dort gilt Tempo 40. In der Freiligrathstraße ist ein Kinderhort. Hier darf Tempo 50 gefahren werden.“ Der Leiter der Straßenverkehrsbehörde sieht aber nicht zwangsläufig Handlungsbedarf, etwas zu ändern, weil alle Kinder von ihren Eltern in die Kita begleitet werden würden. „Ich werde mir aber den Kindergarten in der Freiligrathstraße ansehen“, kündigt er an.
Vor elf von 13 Altenheimen gilt Tempo 30
Auch bei den Krankenhäusern sieht Beck derzeit keinen Handlungsbedarf, einzig vor dem St. Vincenz und Elisabeth Hospital gelte Tempo 50. Vor elf von 13 Altenheimen gilt Tempo 30. Zu den Ausnahmen zählen die Mundus Senioren-Residenz „Große Bleiche“ und das Altenheim „Am Rosengarten“. „In der Großen Bleiche sprechen viele Gründe dafür, über Tempo 30 nachzudenken“, meint Eder. Wie berichtet, hatten im Januar Altenheim-Bewohner der Verkehrsdezernentin eine Unterschriftenliste gegeben. Die Forderungen: nachts Tempo 30, dazu mehr Kontrollen – auch bei Radlern.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hannsgeorg Schönig begrüßt den Vorstoß von Bundesverkehrsminister Dobrinth. „Eine flächendeckendes Tempolimit in der Stadt lehnen wir aber ab“, betont er. Für die kommende Stadtratssitzung am 16. März werde die CDU einen Antrag mit der Aufforderung an die Verwaltung einreichen, ein Gesamtkonzept für alle Verkehrsteilnehmer zu entwickeln, sprich: Auto, Fahrrad, ÖPNV und Fußgänger.
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