Von Werner Wenzel und Michael BermeitingerMAINZ - Die Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität (JGU) hat am frühen Donnerstagnachmittag den Bücherturm der Universitätbibliothek gesperrt. Grund ist ein Schreiben des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), nach dem der Brandschutz für den Bau nicht mehr gewährleistet sei. Das bestätigte die Universität auf Nachfrage dieser Zeitung. Und es kann mindestens zwei Wochen dauern, bis der Bücherturm wieder zugänglich ist. Der LBB habe mitgeteilt, so Uni-Sprecherin Petra Giegerich, dass nach einer aktuellen brandschutztechnischen Bewertung der Feuerwehr die baulichen Rettungswege für die große Anzahl von externen Nutzern nicht mehr ausreichend sei.
Die Entscheidung über eine Sperrung lag bei der Unileitung, allerdings habe es, so Universitätspräsident Professor Georg Krausch, keinen Zweifel gegeben, was zu tun sei: „Wir haben uns gefragt, ob wir die Verantwortung tragen können, den Bücherturm auch nur eine Woche länger offen zu halten. Und die Antwort war Nein.“ Umgehend wurde die Schließung des Bücherturms verfügt. „Im Moment werden gerade die Türen zugemacht“, sagte zur Mittagszeit der UB-Direktor Dr. Andreas Brandtner.
Uni-Präsident: "Seit Jahren darauf hingewiesen"
Dass der Bücherturm, in dem etwa die Lehrbuchsammlung sowie die am stärksten frequentierten Bestände der Zentralbibliothek in Freihandaufstellung zu finden sind, marode sei und längst nicht mehr den Anforderungen genüge, sei hinlänglich bekannt, so Professor Krausch. „Wir haben seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass dringend saniert werden muss“, erklärt der Unipräsident, der dies auch am Vortrag noch in einem Interview mit dieser Zeitung betont hatte. Seit mehr als zehn Jahren liege auch ein Konzept für die Zentralbibliothek vor, dessen Umsetzung in Konsequenz der Schuldenbremse immer wieder verschoben worden sei. Auch Brandtner sagt: „Seit Jahren haben wir immer und immer wieder gemahnt, dass der Bücherturm ersetzt werden muss.“ Nun die böse Überraschung.
Mehrere tausend Studis und Forscher nutzen Bestand täglich
Der Bestand von rund 400 000 Bänden wird täglich von etlichen tausend Studierenden und Beschäftigten genutzt. Die Sperrung ist umso bitterer, weil sich das Semester dem Ende entgegen neigt, viele Studenten mitten in den Vorbereitungen für die Prüfungen stecken, dringend Bücher aus der UB brauchen. Hier stehe man mit den Dekanen in Kontakt, „vielleicht müssen auch Prüfungen verschoben werden“, so Brandtner.
Nun erwartet die Universität, dass möglichst rasch bauliche Maßnahmen eingeleitet werden, um den Bücherturm so schnell wie möglich den Nutzern wieder zugänglich zu machen. Ein entsprechendes Schreiben ging an den Landesbetrieb. Eine Außentreppe wie etwa am Kurfürstlichen Schloss wäre die Lösung.
Außentreppe mit Gerüst als Provisorium?
Genau das bereitet der Landesbetrieb nun vor, wie es auf Anfrage dieser Zeitung hieß. Um diese Nutzungseinschränkung auf ein zeitliches Minimum zu begrenzen, „wird der Landesbetrieb LBB nach Abstimmung mit der Feuerwehr einen zweiten Rettungsweg durch die Errichtung eines Gerüstbauwerks realisieren.“ Das Bauwerk könne innerhalb weniger Tage errichtet werden, heißt es. In der nächsten Woche wolle man einen Gerüstbauer damit beauftragen. Möglich also, dass in zwei Wochen der Bücherturm wieder zugänglich ist.
„Wir brauchen dringend die Außentreppe“, sagt der UB-Direktor, der aber vorsichtshalber schon parallel an einer Ersatzlösung arbeitet, um den Studenten bald wieder die Bände der Freihandbibliothek zugänglich machen zu können.
UB muss zusätzliches Personal engagieren
Da die Studenten nicht mehr direkt zum Regal gehen können, müssen sie die benötigten Bücher online bestellen, die dann aus dem Sperrbereich zu einem frei zugänglichen Regal ins Foyer gebracht werden. „Dort können die Besteller sie direkt abholen.“ Ein unkomplizierter Weg, allerdings brauche man, wenn er denn nötig würde, für das Abarbeiten der Aufträge und den Transport von der Freihandbibliothek ins Foyer mehr Personal.
Dass die Lösung der Probleme der Zentralbibliothek schon lange auf sich warten lässt, liegt laut dem zuständigen Wissenschaftsministerium zumindest nicht an mangelnden Investitionen in die Hochschule. So habe die Universität von 2005 bis 2015 rund 350 Millionen Euro alleine für Baumaßnahmen erhalten. Darunter fielen etwa der Neubau der Sozialwissenschaften mit 53,4 Millionen Euro – mit erheblichem Bibliotheksanteil, so das Ministerium –, der Neubau des Instituts für Molekulare Biologie mit etwa 45,5 Millionen der Neubau der Anthropologie mit 7,3 Millionen und der Neubau für die Physikalische Chemie mit 33,3 Millionen.
In Sachen Zentralbibliothek habe das Wissenschaftsministerium im November dem zuständigen Landtagsausschuss mitgeteilt, dass erhebliche Anstrengungen unternommen würden, um die Situation auch in der Universitätsbibliothek zu verbessern. Verausgabt beziehungsweise fest zugesagt seien aus Mitteln des Hochschulpaktes 4,1 Millionen. Davon soll mit zwei Millionen die Fachbereichsbibliothek Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in den nächsten Jahren mit dem Ziel der Schaffung von etwa 900 modernen Benutzerarbeitsplätzen umgebaut werden. Die Universität rechnet mit weiteren Mitteln aus dem Hochschulpakt. In diesem Fall würden weitere zwei Millionen Euro zur Verbesserung der Infrastruktur zur Verfügung gestellt.
Union: "Leidtragende sind nun die Studierenden"
Die Sprecher der CDU-Landtagsfraktion für Hochschulpolitik sowie Haushalts- und Finanzpolitik, Dorothea Schäfer und Gerd Schreiner, erklärten zur Sperrung des Bücherturms: „Die Landesregierung ist durch ihre Haushaltspolitik für die finanziell angespannte Situation der Hochschulen verantwortlich.“ Sie habe die Universitäten nur aus Sonderprogrammen finanziert und den CDU-Vorschlag, die Hochschulfinanzierung wieder in den Kernhaushalt zu überführen, abgelehnt. „Die Leidtragenden sind nun die Studierenden, die sich zur Zeit eigentlich mit Hilfe der Bibliothek auf ihre Klausuren und Hausarbeiten vorbereiten müssten.“
Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, Gunther Heinisch, sagte: „Die Schließung des Bücherturms ist ein unhaltbarer Zustand. Wir fordern den zuständigen LBB auf, umgehend die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, damit den Studierenden die notwendige Fachliteratur wieder zugänglich ist.“
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