Darum jubele ich nicht mit dem VfL Wolfsburg
02.02.2015
Der VfL Wolfsburg demütigt den Tabellenführer. Und plötzlich fliegen dem Bayern-Bezwinger viele Herzen zu. Meines nicht. Weil der VfL - unabhängig von diesem Gala-Abend - ein perfektes Beispiel für den modernen Was-kostet-die-Welt-Fußball ist. Und für eine drohende Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Liga. Alles legal. Aber nicht egal.
Von Peter Schneider
Fußball-Deutschland jubelt. Endlich. Die Bayern geschlagen. 4:1. Ganz Fußball-Deutschland jubelt? Nein. Neben den Bayern-Fans auch jene Gruppe nicht, die leider immer kleiner wird. Die Gegner des modernen Fußballs. Ich gehöre dazu.
Selbst der Wolf jubelt mit: Die VfL-Spieler mit Maskottchen. Foto: dpa
Denn: Wer dem VfL Wolfsburg bei seinem - zugegeben - extrem beeindruckenden Erfolg am Freitag zugejubelt hat, der sollte sich in Zukunft mit Kritik am Hopp-Engagement in Hoffenheim zurückhalten. Die Niedersachsen gehören in die gleiche Geld-spielt-keine-Rolle-Kategorie.
VW kann sich den Top-Stürmer leisten
Damit wir uns nicht missverstehen: Trainer Dieter Hecking und Klaus Allofs, Geschäftsführer Sport, machen beim VfL einen Top-Job. Die Mannschaft spielt einen attraktiven Ball. Das große Aber: Einen torgefährlichen, sprintstarken, mannschaftsdienlichen Weltklasse-Spieler wie Kevin de Bruyne können sich nur wenige leisten. VW kann. Geschätzte 22 Millionen überwies der VfL dank seines Hauptsponsors an den FC Chelsea. Und nun sollen mehr als 30 Millionen für Weltmeister-Tor-Vorlagengeber Andre Schürrle folgen. Das ist eine klare Ansage an den FC Bayern. Aber auch an die Bundesliga: Uns gefällt es in der Spitzengruppe außerordentlich gut, hier bleiben wir. Wir wollen in die Champions League. Wir kaufen uns die Teilnahme.
Auch die Münchner geben gerne Geld aus, lockten Javier Martinez, Thiago Alcantara, Mario Götze oder Manuel Neuer mit Summen jenseits der 20-Millionen-Grenze zu Training und Spiel nach Bayern. Der FCB aber hat sich sein Vermögen über Jahrzehnte aufgebaut, durch Titelgewinne, durch Europapokal-Teilnahmen, durch Spieler-Transfers. Nicht zuletzt durch den Bau einer eigenen Arena. Der FC Bayern hat eine große Schublade mit vielen Sponsoren. Wenn die Telekom gehen sollte, bleibt immer noch Audi. Wenn Audi gehen sollte, bleiben Adidas oder die Allianz. Auch Borussia Mönchengladbach zeigt derzeit, wie es anders geht. So, wie es dem Kleinsparer immer wieder erklärt wird: Den Anlage-Fonds möglichst breit streuen - und damit auch das Risiko.
Viel Geld verbrannt
Der VfL Wolfsburg setzt auf VW. Und umgekehrt. Seit 1952 (sieben Jahre nach der Vereinsgründung) ist VW der Hauptsponsor des Vereins. Die VfL Wolfsburg-Fußball GmbH gehört zu 100 Prozent der Volkswagen AG. Und wo VW ist, soll oben sein. Bei diesem Vorhaben ist in den letzten Jahren viel Geld verbrannt worden. Mit einem englischen Trainer, mit italienischen Weltmeistern oder mit einem Manager, der der jüngere Bruder von Uli Hoeneß ist.
Mit der Verpflichtung von Hecking und Allofs haben die VW-Bosse, zugegeben, eine ihrer besten Entscheidungen getroffen.
Soweit die Bilanz. Das Herz spielt aber nicht mit. Nicht mal das der eigenen Fans. Der Klub klebt in der Zuschauer-Tabelle neben den anderen Förder-Vereinen aus Leverkusen und Hoffenheim in der hintersten Region. Hansa Rostock füllte trotz elend langer Anreise und beschämender Hinrunden-Vorstellungen am Samstag in Wiesbaden zum Drittliga-Spiel den Gäste-Block mit beachtlicher Fan-Menge. Bemerkenswert. In Wolfsburg gelingt es - wie in Leverkusen und Hoffenheim - selbst im Erfolgsfall nicht, regelmäßig das eigene Stadion zu füllen. Oder: Dass Borussia Dortmund in Abstiegsgefahr schwebt, wird nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa heiß diskutiert. Als Wolfsburg jüngst an der Zweiten Liga schnupperte, förderte dies in den Sportsbars höchstens mal ein mitleidiges Schulterzucken zu Tage.
Was würde wohl bei Abstieg passieren?
Was würde wohl passieren, wenn der VfL Wolfsburg, 1899 Hoffenheim oder Bayer Leverkusen absteigen? Wenn diese Vereine wie Arminia Bielefeld, Hansa Rostock, Dynamo Dresden oder Kickers Offenbach in der Drittklassigkeit oder tiefer versinken würden? Die These: Keine Tradition, keine Fans, keine Leidenschaft, keine Treue. Aber die Frage wird sich nie stellen. Weil die Geldgeber weiter fleißig Geld geben. Weil sich somit das vordere Tabellendrittel der Bundesliga zementieren wird, die Plätze an den europäischen Fleischtöpfen vergeben sein werden. An die Millionen-Klubs, die die Preise an der Spieler-Börse in die Höhe treiben. Dagegen spricht rechtlich und moralisch nichts. Unterstützen muss man dies aber nicht.
Zumal dieses Top-Drittel demnächst potenten Zuwachs erhalten wird, sich die Lage durch das noch frechere Geld-Konstrukt beim extra erschaffenen Verein RB Leipzig verschärfen wird. Verschärfen vor allem für Klubs wie Mainz 05 oder FC Augsburg, aber auch 1. FC Kaiserslautern oder Eintracht Frankfurt. Sie dürften vergeblich gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Bundesliga ankämpfen. In Frankfurt diskutieren die Eintracht-Verantwortlichen derzeit, ob es ohne Investor weitergehen kann. Tendenz: Nein, kann es nicht.
Wie gesagt: Alles legal. Mir aber nicht egal. Denn mein Fußball ist das nicht. Deshalb habe ich dem VfL Wolfsburg am Freitag nicht zugejubelt. Und werde es nie tun.
Tja , da wirft der Autor mit Traditionen um sich und vergisst ganz die Realität. Wo ist denn gerade bei den Mainzern die Tradition. Traditionell sind selbst Highlights wie Europacupauftritte oder Pokalspiele nicht ausverkauft. DIe angesprochene Clubs Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim haben ähnliche Auslastungen wie Mainz. Wobei beispielsweise Leverkusen in der laufenden Saison häufiger ausverkauft war als die sog. Traditionalisten (7 von 10 Spiele). Übrigens WOlsburg hat sein Stadion durchscnittlich mit 93 % ausgelastet - Mainz 05 nur mit 87 % - Hoffenheim zu 86 %. Und In der zweiten Liga ist die Auslastung nur in ganz kleine Stadien sehr gut (Leipzig hat da 59 % - und der "große traditionsreiche FCK" 64 %. Wobei allein nach Lautern mehr Leute gehen als nach Mainz. Hallo Tradition - gerade Mainz hat mit die schlechteste Auslastung der gesamten Liga. Wo kommt denn das Geld her der ganzen Traditionsclubs (Schlacke - Gazprom, Borussia Dortmund - Evonik etc.). Also hört doch auf Profifußball hat wenig mit Traditionen zu tun - das geht es ums Geld verdienen nichts Anderes. Also hört endlich auf mit Falschen Bahauptungen um Euch zu werfen - und wenn Dortmund zur Zeit unten steht und das in Europa diskutiert wird hat das nicht mit Traditionen zu tun sondern, dass die vor 2 Jahren quasi ganz oben standen. Wenn Dortmund finanzmäßig vor Jahren abgestiegen wäre und in den Tiefen der Traditionen der 2., 3. und 4. Liga wäre würde kein Mensch mehr diskutieren.
Lieber Herr Schneider,
Kompliment für diesen tollen Artikel der jedem "echten Fußball-Fan" aus der Seele spricht. Wir brauchen und wollen keine Pillen-,Softwarehersteller-, Automobilherstelle- und Brauseherstellerclubs in der Bundesliga.
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre subjektive Betrachtung, die dazu führt, dass ich zum ersten Mal einen Kommentar zu einem "Artikel" abgebe. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass viele Fans des VfL Wolfsburg bereits seit Kindestagen dem Verein zujubeln (seit 1997 erstklassig und dies aus eigenen Mitteln) und dies eine Herzensangelegenheit ist, so wie es auch für Fans sogenannter Traditionsvereine ist. Wieso sollte man auch mehr mit dem Herzen dabei sein, wenn man die Meisterschaft nur vom Hörensagen kennt, ich verstehe die Logik nicht dahinter? oder ist man automatisch "mehr Fan" wenn man Dortmund Sympathisant ist, aber in Göttingen wohnt? Spielt Unzufriedenheit mit der Platzierung "Ihres" Vereins (Dortmund?) etwa eine Rolle? Zumal auch dieser Verein sich nicht nur aus eigenen "erspielten" Mitteln finanziert ;) Wenn man will kann man sich immer irgendwelche Argumente zusammensuchen und Anhänger für diese Stimmungsmache finden....
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