Von Erich Michael LangBINGEN - Noch hält sich das archäologische Landesamt bedeckt mit Aussagen zu seiner Forschungsarbeit in den Baugruben rund um das künftige City Center. Investor Harpen hatte bestätigt, dass die Denkmalpflege sich auf der Baustelle umschaut und diesen Umstand zugleich als einen der Gründe angeführt, weshalb sich der Eröffnungstermin der Shopping-Mall auf das Frühjahr 2016 verschieben wird (wir berichteten).
Offensichtlich ist, dass in der Grube zur Badergasse hin in der Tiefe altes Gemäuer freigelegt ist. Die Experten schweigen sich einstweilen darüber aus, um was es sich dabei handeln könnte und ob im Umfeld der augenscheinlichen Gebäudefundamente weitere Zeugnisse aus früherer Zeit gefunden wurden. Das Schweigen beflügelt aber in der Stadt inzwischen kräftig die Spekulationen. Das Interesse an Bingens Vergangenheit ist geweckt.
- MITHRAS-KULT
"Als der Mithras-Glaube bereits über eine zweitausendjährige Geschichte verfügte, faßte er zunehmend Fuß im großen römischen Reich. Die Eroberungs- und Invasions-Aktionen der römischen Kaiser hatten das westliche Europa schon im 1. Jahrhundert nach Christus weitgehend römisch konsolidiert. Mit ihnen war der Mithras-Kult von den Soldaten eingewandert worden. Es kann damit gerechnet werden, daß schon im 1. Jahrhundert in Bingium Kultstätten das jährliche Frühlings-Äquinoktium feierlich begingen, um im Tierkreis mit den Konstellationen der laufenden Gestirne den Weg der Seele - der Sonne - zu deuten."
Aus: Friedrich Rudolf Engelhardt, Binger Annalen, Heft 23, Seite 27.
"Binger Annalen"
Eine Theorie wird aus Büdesheim beigesteuert. Andreas Kümmerling, Schriftführer des Heimatvereins "Die Byrtze", verweist auf die Erkenntnisse des Binger Geschichtsforschers Friedrich Rudolf Engelhardt (1894-1990). Der hatte in seinen "Binger Annalen" (Heft 23, Seite 26) darauf verwiesen, dass dort, wo einst das Hertie-Kaufhaus stand, sich ein Mithras-Tempel befunden habe, eine Kultstätte für den auch von den Römern verehrten Licht- und Sonnengott, dessen Wurzeln nach Forschermeinung in Indien liegen. Der Tempel, wie eine Zeichnung von Anton Weber jun. rekonstruiert, war Teil der römischen Zivilstadt und stand bereits, noch bevor die Römer ihr Kastell mit Befestigungsanlage errichteten. Im 3./4. Jahrhundert erst entstand die Wehrmauer, die in etwa entlang der Basilikastraße verlief. Der Tempel lag wie auch große Teile der Siedlung sodann ungeschützt buchstäblich in der "Vorstadt". Engelhardt schreibt, der Bau müsse "ansehnliche Ausmaße" gehabt haben mit einer Frontbreite von 17 Metern und einer Länge von 18 Metern. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des Forschers, dass das römische Straßenniveau etwa eineinhalb Meter unter dem heutigen lag. Dies entspricht auch ungefähr der Lage des jetzt freigelegten Gemäuers. Engelhardt berichtet, wie seinerzeit bereits beim Bau des Hertie-Gebäudes Arbeiter auf Mauerreste stießen. Und nicht nur das. Es wurde auch ein Gewölbe entdeckt. Es soll sich um ein Tonnen-Gewölbe römischer Bauart gehandelt haben. Das Gewölbe deckte einen unterirdischen Raum von fünf Metern Breite, dessen Boden aus gestampftem Erdreich bestand. Der Raum war etwa 2,5 Meter hoch. Engelhardt schreibt weiter: "Von der dicken Grundmauer bis zum Ende des Gewölbes konnte eine Anlagenbreite von 17 Metern festgestellt werden. Die Entfernung von der Häuserfluchtlinie der Amtsstraße bis zum Ende des Mauerzugs betrug 28 Meter."
Als gesichert konnte angenommen werden, dass hier also ein römisches Anwesen stand. Nur welches? Engelhardt schließt weiter: "Da durch die Funde auf dem Grundstück des früheren Bürgers Loeb bekannt ist, dass diese Funde aus einem Mithras-Tempel stammen, dürfte der Nachweis vorliegen, dass vor Zeiten auf diesem Gelände der Stadt Bingen ein großer römischer Tempel des Sonnen- und Lichtgottes Mithras gestanden hat." Andreas Kümmerling erhofft sich nun durch die aktuellen Untersuchungen weitere Erkenntnisse. "Es ist unsere Pflicht im Interesse aller, das Vergangene zu schützen und zu bewahren. Unsere Nachfahren werden uns dankbar sein", sagt er.
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