Von Wolfgang BartelsGUTENBERG - „Keinen Mutterboden?“ Der Architekt war entsetzt, als er hörte, wie sich Anja Münch (48) den Garten rund um ihr neues Heim in Gutenberg vorstellte. Einen Garten ohne Mutterboden – so etwas hatte der Fachmann noch nie gesehen. Doch die gelernte Krankenschwester blieb bei ihrer Meinung: „Mutterboden ist viel zu fett für einen naturnahen Garten. Und ich habe auch keine Lust, mir mit dem Boden alle möglichen Wurzelunkräuter einzuschleppen.“ Die Bauherrin hat dann vor sechs Jahren etwas gemacht, was dem Architekten völlig neu war. Sie besorgte sich aus einer benachbarten Baugrube lehmige Erde („die Erde, die hier von Natur aus vorhanden ist“) und arbeitete an der Oberfläche etwa zwanzig Zentimeter tief Sand ein. Dann säte sie eine Wildblumenwiese – mit Erfolg.
Anfangs nicht alle Nachbarn begeistert
Das war aber erst der Anfang für die Gärtnerin. Von jedem Spaziergang durch die Weinberge hat sie Feldsteine mitgebracht. Mit denen hat sie eine Kräuterspirale und einen Steinhaufen angelegt. Dazu noch abgeschnittene Äste, sogenanntes „Totholz“, in das sich Igel und Insekten zurückziehen können. Gepflanzt hat sie nur Stauden, Kräuter und Sträucher, die am Gräfenbach auch von Natur aus heimisch sind, so zum Beispiel verschiedene wilde Rosensorten, die Strauchkronwicke oder auch Zwergheckenkirschen. Anja Münch gibt zu, dass anfangs nicht alle Nachbarn von ihrem Garten begeistert waren. „Unkraut-Diva“ wurde sie sogar genannt: „Das nehme ich mittlerweile sogar als Kompliment.“ Es gibt aber auch Nachbarn, die ganz anders von ihr reden: „Die Frau, die Steine zum Blühen bringt.“ Und sie erlebt immer wieder: „Wenn das hier alles blüht, dann pilgern die Leute hierher und staunen, was es alles gibt. Sogar nach Tipps werde ich dann immer wieder gefragt.“
Es war Schwester Ulla Pauli (63) aus Weiler bei Bingen, die Anja Münch auf den Naturgarten-Trip gebracht hat. Als diese vor zehn Jahren ihr Haus kaufte, gab es im Garten viele exotische Pflanzen wie Kirschlorbeer, Forsythien und Mahonien, die nur mit viel Chemie am Leben erhalten werden konnten: „Dann habe ich angefangen, den Garten komplett auf Naturgehölze umzustellen. Die kriegen sie aber nicht im Gartencenter, sondern nur bei spezialisierten Gärtnereien.“ Der Blasenstrauch und der Schwarze Geisklee wurden zu ihren Lieblingspflanzen: „Das Thema hat mich so gefressen, dass ich dann den Garten immer weiter umgestellt habe.“ Eines Tages kam Schwester Anja zu Besuch: „Am Anfang dachte ich, jetzt ist die Ulla ganz ausgeflippt. Ich habe gesagt: auf den ganzen Steinen wächst doch nie etwas. Aber mit den Jahren wurde es immer grüner und bunter.“ Kurzum: Schwester Anja hat sich vom Naturgarten-Virus infizieren lassen. Nun stehen die beiden Schwestern im Wettbewerb, wer den natürlichsten und schönsten Garten hat.
Dabei geht es nicht nur um Sträucher und Blumen. Hinterm Haus bearbeitet Anja Münch ein Hochbeet mit Kompost, in dem sie Karotten, Mangold, Radieschen, Winterportulak, Tomaten und Feldsalat zieht. Ihre neueste Errungenschaft ist ein „Vogel-Spaßbad“, in dem die Vögel richtig planschen können. Nebenan steht ein großer Teller mit Körnern, an dem sich hungrige Schnäbel gütlich tun können. Schwester Ulla ist voll des Lobes: „Es ist schon ein Naturgarten für Halb-Profis geworden. Das hat sie prima hingekriegt.“ Um ihre Ideen weiter zu verbreiten, haben die beiden Schwestern eine Regionalgruppe des Vereins Naturgarten e.V. gegründet und laden alle Interessierten zur Mitarbeit ein. Anja Münch freut sich jetzt besonders auf die wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlings. Die ersten Krokusse haben ihre Köpfe schon herausgesteckt. Bald werden die anderen Blumen folgen.
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