Von Fred LexSUNDAY SPECIAL Beim Gottesdienst in der Johanneskirche wird getanzt
BAD KREUZNACH - Als König David damals in Judäa vor der heiligen Bundeslade einen Freudentanz zelebrierte, dass die Rockschöße flatterten (und sein Hinterteil entblößten, wie ein Augenzeuge berichtete), bewegte er sich völlig im Einklang mit seinem Gott. „Ein Jegliches hat seine Zeit: Weinen, Lachen, Klagen, Tanzen“, heißt es im Alten Testament. Noch heute gehören im Judentum Tänze zum festlichen Ritual in der Synagoge.
Ankündigung war eine Riesenüberraschung
- VERABSCHIEDUNG DER PFARRERIN
Pfarrerin Natalie Broich, die seit 2013 als Vikarin einen Teil ihrer Ausbildung in der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Kreuznach absolvierte und hier auch als Pfarrerin ordiniert wurde, wird am 21. August in einem Gottesdienst verabschiedet.
Der „Special Sunday“ unter dem Motto „Tango hat seine Zeit“ war ihr letzter eigener Gottesdienst in Bad Kreuznach. Natalie Broich, die aus Nordrhein-Westfalen stammt, hat jetzt eine Pfarrstelle im Kirchenkreis Düsseldorf erhalten, die sie am 1. September antritt.
Das Christentum hat dagegen den Tanz im rituellen Rahmen nicht auf seinem Programm. Daher war es eine Riesenüberraschung, als die Evangelische Kirchengemeinde Bad Kreuznach jetzt einen Tango-Gottesdienst ankündigte.
„Die Idee verfestigte sich vor zwei Jahren bei einem Kirchentag“, erläuterte die junge Pfarrerin Natalie Broich, die mit ihrem Team bei diesem „Sunday Special“ in der Johanneskirche auf fantasievolle Weise vorführte, welche Dimensionen ein Gottesdienst mit Tanz annehmen könnte. Was zunächst auffiel: So gut besucht sind Gottesdienste sonst nie. Und zweitens: Zusammen mit dem Tanzmeister-Paar Diana und Holger Liszczenski und deren Tanzschule „Tango-Kreuzweise“ wagten sich auch ältere Gemeindemitglieder aus der Reserve und auf die Tanzfläche.
In diesem Gottesdienst ging es vor allem darum zu zeigen, wie sich die christliche Sehnsucht nach einer besseren Welt auch im Tanzen widerspiegeln kann, so Pfarrerin Broich in ihrer Predigt. Der argentinische Tango scheint dafür besonders gut geeignet, weil er eine „Herz-zu-Herz-Verbindung“ herstellt. Er war in der Gegend rund um den Rio de la Plata, dort, wo er im 19. Jahrhundert erfunden wurde, vor allem ein Tanz der Unterprivilegierten, der Entrechteten, der Enttäuschten. Heute ist der Tango in der ganzen Welt verbreitet, wird in allen sozialen Schichten getanzt, er verbindet Melancholie mit Leidenschaft und gilt als eine Therapie, die die Seele befreit.
In dem lebendigen, aus Wort, Musik und Filmsequenzen gemischten Programm zur Geschichte und Bedeutung des Tangos wirkten neben Pfarrerin Natalie Broich und ihrem Team, bestehend aus Dr. Herbert Drumm, Tobias, Bärbel und Timo Preißmann-Heinrich, Edeltraud Ritter, Angelika Werner, Dr. Stefan Scholvien, Claudia Hoffmann, Michaela Seinsoth und Jan Pelar, auch versierte Tango-Musiker mit: Julia Ferrarese (Akkordeon), Axel Schmitt (Klarinette) und Jeremy Fast (Gitarre) unter dem Band-Namen „Esquinas de Nuez“.
Wer weiß: Vielleicht wird der Sehnsuchtstanz Tango irgendwann seinen Platz im Gottesdienst finden. So wie in Bad Kreuznach wurde damit auch schon in Kirchengemeinden rund um Köln experimentiert. Auf jeden Fall sollte man den Rat des Kirchenvaters Augustinus (354-430) im Sinn behalten. „O Mensch“, sagte er, „lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen.“
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